Brexit-Gesetz durchgewunken Das gefügige britische Unterhaus

Premierministerin Theresa May hat einen wichtigen Etappensieg errungen: Mit großer Mehrheit stimmen die Abgeordneten in letzter Lesung für das Brexit-Gesetz. Und stellen nicht einmal Bedingungen.

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Britische Fahnen wehen vor dem berühmten Uhrturm Big Ben in London. Quelle: dpa

Großbritannien marschiert mit großen Schritten auf den Austritt aus der EU zu. Denn am Mittwochabend stimmten 494 gegen 122 Abgeordnete im Unterhaus in dritter und letzter Lesung ohne eine einzige Änderung für das EU-Austrittsgesetz. Zwar muss der Entwurf noch vom Oberhaus abgesegnet werden, doch das gilt als recht sicher. Das ungewählte House of Lords könnte die Umsetzung des Gesetzes zwar bis zu einem Jahr verzögern und mit Zusatzklauseln versehen. Angesichts der überwältigenden Mehrheit im Unterhaus wäre das allerdings politisch heikel.

Premierministerin Theresa May dürfte den offiziellen Antrag auf die Scheidung von der EU nun wohl unmittelbar nach der Abstimmung in der zweiten Kammer einreichen. Aller Voraussicht nach wird sie den Austrittsparagraphen Artikel 50 bereits am 8.oder 9. März aktivieren und damit den zweijährigen Countdown für den Abschied der Briten aus der EU einleiten.

„Wir haben einen historischen Augenblick erlebt“, lobte Brexit-Minister David Davis. Ein historischer Augenblick, der allerdings eine erschreckende Unterwürfigkeit der britischen Parlamentarier demonstriert und zeigt, wie unangefochten die konservative Regierungschefin May trotz einer schmalen Unterhausmehrheit derzeit agieren kann.

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Die Labour-Partei, die in der Brexit-Frage tief gespalten ist, erwies sich erneut als kraftlose Opposition. 52 Abgeordnete der Arbeiterpartei stimmten gegen das EU-Austrittsgesetz und widersetzten sich damit dem von Labour-Chef Jeremy Corbyn verhängten Fraktionszwang. Und die Rebellen in Mays Konservativer Partei beteiligten sich zwar an der leidenschaftlichen dreitägigen Debatte, doch bis auf den ehemaligen Finanzminister Ken Clarke, der schon in der ersten Lesung als einziger Konservativer gegen die Regierung gestimmt hatte, gab es auch diesmal keine weiteren Rebellen bei den Tories.

Obwohl die Mehrheit der 650 Abgeordneten des britischen Unterhauses eigentlich gegen den Austritt aus der EU ist, fühlten sich mit Ausnahme der Liberaldemokraten und der Scottish National Party (SNP) letztlich fast alle Labour- und Tory-Politiker gezwungen, für das EU-Austrittsgesetz zu stimmen. Um nicht den Eindruck zu erwecken, sich dem Willen des britischen Volkes zu widersetzen, das im Juni 2016 mehrheitlich für den Brexit gestimmt hatte.

Vor allem die Labour-Partei befand sich allerdings in einem großen Dilemma: viele Abgeordnete waren zwar persönlich für den Verbleib in der EU, vertreten aber Wahlkreise, die mehrheitlich für den Austritt gestimmt hatten. Sie fürchten daher bei der nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt zu werden.

Außerdem setzte Labour-Chef Corbyn die Abgeordneten seiner Partei für die Abstimmung unter Fraktionszwang, denn auch er möchte bei den nächsten Wahlen nicht abgestraft werden. Allerdings rebellierten mehrere Mitglieder seines Schattenkabinetts – noch am Mittwochabend trat etwa der Schattenwirtschaftsminister zurück, weil er gegen den Brexit ist.

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