In Frankreich, den Niederlanden und Dänemark wird Großbritanniens möglicher Abschied nicht nur bei den EU-skeptischen Populisten Wirkung entfalten, sondern auch bei den etablierten politischen Eliten. Gerade in Paris wird Großbritannien als einziges Land geschätzt, das in weltpolitischen Fragen einen strategischen Blick hat – wie Frankreich selbst. Beide Länder haben als frühere Kolonial- und Großmächte ähnliche historische Erfahrungen und entsprechende Horizonte. Vor allem militärisch sind Frankreich und Großbritannien eng miteinander verbunden.
„Das Bedauern im Falle des Brexit würde daher auch in Frankreich überwiegen“, sagt Techau, „nur in ordnungs- und wirtschaftspolitischen Fragen wäre man vielleicht hier und da erleichtert.“ Laut Umfrage würden 32 Prozent der Franzosen den Abschied Großbritanniens aus der EU positiv aufnehmen. Der höchste Wert von zehn untersuchten Ländern. Der vermutliche Grund: Die französischen Eliten - und nicht nur die - sind sehr viel staatsgläubiger gesinnt als die britischen und misstrauen traditionell der angelsächsischen Wirtschaftsmentalität.
Die wiederum steht der deutschen und niederländischen deutlich näher. Die Deutschen, so Freudenstein, hätten Angst davor, im Falle des Brexit von einem „Club Med“ in wirtschaftspolitischen Fragen überstimmt zu werden. „Wir würden uns mit den Franzosen allein gelassen fühlen.“ Das gelte aber auch für die Franzosen in anderen Fragen: „Überhaupt pilgern alle möglichen Leute derzeit nach London und sagen: Lasst uns nicht mit den xy alleine.“
Besonders stark ist dieses Gefühl in den Niederlanden verwurzelt. „Die Niederlande sind auf dem gesamten Kontinent das am stärksten auf Großbritannien fixierte Land“, sagt Techau. „Die würden am meisten leiden, denn ihre Weltsicht ist angelsächsisch geprägt. Sie sehen sich mentalitätsmäßig eher nach England als nach Deutschland orientiert, obwohl sie tatsächlich wirtschaftlich voll von Deutschland und kaum von Großbritannien abhängen.“
Die Niederlande waren schon bei der Gründung der damaligen EWG in den 1950er Jahren sehr viel weniger begeisterte Europäer als ihre belgischen Nachbarn, bei denen auch heute kaum Rufe nach einem Referendum zu hören sind. Vor 1973 waren die Niederlande der wichtigste Fürsprecher für den Beitritt Großbritanniens. Im Falle eines Brexit würden sich die Niederländer eher zähneknirschend an Deutschland orientieren, vermutet Techau, so wie sie es immer getan haben. „Wenn es darauf ankam, sind sie immer mit Deutschland gegangen, weil es ökonomisch geboten war. Aber stets in dem Wissen, dass es auch noch eine britische Alternative gäbe“, sagt Techau.