Der Brexit verliert in Großbritannien immer mehr an Zustimmung: Einer neuen Umfrage zufolge hat sich nun mehr als die Hälfte der Briten für einen Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. In der von der britischen Zeitung „Independent“ am Samstagabend veröffentlichten Untersuchung des Instituts BMG Research waren 51 Prozent der Befragten gegen den Brexit und nur noch 41 Prozent dafür.
Die zehn Prozentpunkte Differenz sind der Zeitung zufolge der größte Abstand zwischen Brexit-Gegnern und -Befürwortern seit dem Referendum im Juni 2016. Die Frage, ob Großbritannien Mitglied der EU bleiben sollte oder nicht, beantworteten sieben Prozent mit „weiß nicht“, ein Prozent antwortete gar nicht.
Verantwortlich für den immer größer werdenden Abstand zwischen Brexit-Gegnern und -Befürwortern sind vor allem diejenigen Briten, die sich nicht an dem Referendum im Juni 2016 beteiligt hatten, wie der Vorsitzende von BMG Research, Michael Turner, der Zeitung sagte. Die damaligen Nichtwähler würden nun mit überwältigender Mehrheit im Verhältnis 4:1 für den EU-Verbleib stimmen, während die damaligen Befürworter und Gegner eines EU-Austritts überwiegend (zu rund 90 Prozent) bei ihrer Meinung geblieben seien.
Der harte Brexit und die Folgen – für beide Seiten ein Schreckensszenario
Bei einem harten Brexit würden Zölle nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) anfallen. Alleine bei Pkw betragen die 10 Prozent. Deutschlands Exporte würden nach einer aktuellen Studie des Forschungsnetzwerks Econpol um 33 Prozent sinken.
An Großbritanniens Grenzen würden nicht nur Zoll- sondern auch Passkontrollen stattfinden. Die Wirtschaft fürchtet erhebliche Zeitverzögerungen. Der Autohersteller Honda hat bereits angekündigt, dass Zollkontrollen nicht vereinbar seien mit seiner Just-In-Time-Lieferkette.
Beim EU-Austritt fällt Großbritannien aus dem Studentenaustauschprogramm Erasmus hinaus. EU-Bürger, die künftig in Großbritannien studieren wollen, müssen sich auf hohe Studiengebühren einstellen. Bisher darf Großbritannien von EU-Studenten nicht mehr verlangen als von Inländern.
Bisher sind britische Forschungseinrichtungen die größten Empfänger von EU-Forschungsgeldern. Ohne besondere Vereinbarungen werden britische Forschungseinrichtungen keinen Zugang mehr zu EU-Programmen haben. Britische Forscher beklagen schon jetzt im Vorfeld, dass Kollegen vom Kontinent weniger Interesse an der Zusammenarbeit zeigen.
Britische Flugzeuge verlieren nach dem Brexit ihre Landerechte in der EU. Ohne ein spezielles Abkommen haben britische Fluglinien keinen Zugang mehr zu EU-Flughäfen. Andersherum können europäische Linien britische Flughäfen nicht mehr anfliegen.
Zuletzt hätten die Brexit-Befürworter im Februar in Umfragen geführt, seitdem habe es eine langsame Verschiebung in der öffentlichen Meinung in Richtung der Brexit-Gegner gegeben.
Die Briten hatten am 23. Juni 2016 mit knapper Mehrheit von 52 zu 48 Prozent für einen Austritt aus der EU gestimmt. Die EU hatte am vergangenen Freitag in Brüssel das Startsignal für die zweite Phase der Brexit-Gespräche gegeben. Die britische Premierministerin Theresa May hatte erhebliche Zugeständnisse - unter anderem bei finanziellen Fragen - gemacht, um die zweite Verhandlungsphase starten zu können.