Brexit-Showdown in Brüssel Die Schicksalswoche für Großbritannien

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Vorbereitung auf No-Deal-Szenario - vorsichtshalber

Im Klartext hieße das: durch weiche Übergangsregeln würde der Brexit in der Praxis verschleppt, wenn auch die Briten dann in Brüssel nicht mehr am Verhandlungstisch sitzen werden. Das alles alarmiert die harten Brexitiers in London. Einen Tag vor dem Lunch von May und Juncker versuchten 30 Tories, darunter der ultrakonservative Hinterbänkler Jacob Rees-Moog und der ehemalige Finanzminister Nigel Lawson, deshalb May mit einem offenen Brief unter Druck zu setzen. Die Premierministerin müsse Juncker mit einem Abbruch der Verhandlungen drohen, wenn dieser ihr nicht bis März 2018 ein zollfreies Freihandelsabkommen zusichere. Ebenso müsse die Personenfreizügigkeit mit dem offiziellen Austritt Ende März 2019 sofort enden, auch wenn es eine zweijährige Übergangsfrist geben sollte. Zu den im Brief genannten „roten Linien“ gehört auch die Forderung, die Zuständigkeit des EuGH für die in Großbritannien lebenden EU-Bürger müsse ab April 2019 enden.

Trotz mancher positiver Zeichen herrschte wenige Stunden vor dem mit Spannung erwarteten Treffen in Brüssel weiterhin Ungewissheit, ob ein Durchbruch möglich sein würde. Ein Berater von Brexit-Minister David Davis schätzte die Chancen für den Beginn der Handelsgespräche noch vor Jahresende auf bestenfalls 60 Prozent ein. Die Sache sei „keineswegs in trockenen Tüchern“, hieß es.

Nicht verwunderlich also, dass man sich auch bei der EU-Kommission vorsichtshalber auf die Möglichkeit eines No-Deal-Szenarios und eines chaotischen Brexit einstellt. Laut "FAZ", die sich dabei auf interne Dokumente beruft, wurde eine sogenannte „Brexit Preparedness Group“ gegründet, die sich unter anderem auf den schlimmsten Fall eines EU-Austritts ohne eine Vereinbarung vorbereitet und Notfallpläne für verschieden Sparten vorbereitet, unter anderem auch für die Zollabfertigung und den Flugverkehr.

Das sind die Brexit-Pläne der Banken
Banken in London Quelle: REUTERS
Die britische Großbank HSBC Quelle: dpa
BarclaysBarclays-Chef Jes Staley spielt die Brexit-Auswirkungen für seine Bank herunter. Der geplante EU-Austritt sei eine „vollkommen machbare Herausforderung“, sagte Staley dem „Guardian“ zufolge. Erwartet wird, dass die Bank ihren Standort in der irischen Hauptstadt Dublin ausbaut. Das bedeute aber nicht, dass in London Arbeitsplätze wegfielen, betonte Staley. „Ich glaube, wir werden einige neue Jobs an Standorten in der EU schaffen, aber es wäre ein Fehler zu glauben, dass dafür jemand entlassen werden muss“, sagte er bereits Ende April der Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Quelle: REUTERS
Goldman Sachs Quelle: REUTERS
Deutsche Bank Quelle: dpa
Commerzbank Quelle: dpa
Entscheidung für Frankfurt Quelle: REUTERS

So stellte sich der Stand der bisherigen Scheidungsverhandlungen in den drei Schlüsselfragen Geld, Bürgerrechte und Grenze kurz vor dem Treffen von May und Juncker dar: Lange galt die Brexit-Schlussabrechnung als größter Zankapfel. Doch hier lenkte die Regierung in London kürzlich ein: Im Oktober hatte May nur 20 Milliarden Euro angeboten, vergangene Woche war in britischen Presseberichten dagegen von Nettozahlungen in Höhe von 45 Milliarden bis 55 Milliarden Euro die Rede. Die EU fordert angeblich bis zu 60 Milliarden Euro, hat aber bisher keine genaue Zahl genannt.

Konkrete Zahlen über ihr Angebot nennt die britische Regierung selbst in vertraulichen Gesprächen nicht. Sie sagte lediglich zu, alle bisherigen Finanzzusagen, Verbindlichkeiten, Kreditgarantien zu erfüllen und für ihren Teil der Pensionsansprüche von EU-Beamten aufkommen zu wollen. Die Zahlung der Schlussrechnung zu strecken und ihre genaue Höhe zu vernebeln ist nicht nur eine Verhandlungstaktik, sondern soll auch die Brexitiers zu Hause ruhig stellen.

Bei den EU-Bürgerrechte ist man sich weitgehend einig – allerdings gibt es noch ein paar wichtige Stolpersteine. Immer noch weigert sich die britische Regierung, bei Streitfällen über die künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien nach dem Brexit die Zuständigkeit des Europäische Gerichtshof (EuGH) anzuerkennen.

Auch soll EU-Bürgern unter Umständen künftig der Nachzug eines Ehepartners aus dem Ausland verwehrt werden, etwa wenn bestimmte Einkommensgrenzen unterschritten werden. Eine solche Regelung gilt heute schon für die Briten, die EU-Bürger wären ihnen gegenüber also privilegiert, argumentiert die britische Regierung. Zudem sollen Kinder von EU-Bürgern auf der Insel, die vor dem Brexit geboren werden, einen anderen rechtlichen Status haben, als Kinder, die nach dem Austritt auf die Welt kommen.

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