Brexit und die Folgen In Holland könnte das nächste Referendum folgen

Kommt nach dem Brexit der Nexit? In den Niederlanden und Frankreich haben die EU-Gegner jetzt Oberwasser und fordern eigene Referenden.

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"Wir müssen Europa entgiften"
Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien muss Europa aus Sicht von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zur Überwindung der Vertrauenskrise sozialer und gerechter werden. Es gebe eine „massive Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern“ in der Europäischen Union, sagte der Vizekanzler am Samstag in Bonn zum Auftakt einer Reihe von SPD-Regionalkonferenzen. Ob sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland in Zukunft weiter positiv entwickle, hänge entscheidend davon ab, ob Europa „stabil und kräftig“ bleibe. Gabriel betonte, Deutschland sei „Nettogewinner“ und nicht „Lastesel der Europäischen Union“, wie oft behauptet werde. Der Blick der Welt auf Europa werde sich ohne Großbritannien in der EU verändern. Rund 25 Millionen Menschen suchten in Europa Arbeit, darunter viele junge Leute - das sei „verheerend“, betonte Gabriel. „Da geht die Idee Europas verloren“ - und das erzeuge Wut und Verachtung. Der Zorn richte sich gegen das „Sparregime aus Brüssel“ und oft ebenfalls gegen Berlin. Klar sei daher, „dass wir Europa entgiften müssen“. Die EU sei von Anfang an auch als „Wohlstandsprojekt“ gedacht gewesen. Das gehöre dringend wieder stärker in den Fokus. Die EU-Schuldenländer brauchten mehr Freiraum für Investitionen in Wachstum, Arbeit und Bildung, forderte Gabriel. Quelle: dpa
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat den britischen Premierminister scharf kritisiert. Auf die Frage, was er davon halte, dass David Cameron erst im Oktober zurücktreten will, warf Schulz dem Premier vor, er nehme aus parteitaktischen Überlegungen erneut einen ganzen Kontinent „in Geiselhaft“. dpa dokumentiert den Wortlaut: „Offen gestanden: Ich finde das skandalös. Zum wiederholten Male wird ein ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen für die parteiinternen Überlegungen der konservativen Partei Großbritanniens. Er hat vor drei Jahren, als er in seiner Partei unter Druck stand, den Radikalen am rechten Rand der Tories gesagt: Ich gebe Euch ein Referendum, dafür wählt Ihr mich wieder. Das hat geklappt. Da wurde ein ganzer Kontinent verhaftet für seine parteiinternen taktischen Unternehmungen. Jetzt ist das Referendum gescheitert. Jetzt sagt der gleiche Premierminister, ja, Ihr müsst aber warten, bis wir (...) mit Euch verhandeln, bis der Parteitag der Konservativen im Oktober getagt hat. Dann trete ich zurück, dann gibt's einen neuen Parteichef, der wird dann Premierminister. Also ehrlich gesagt: Man kann einen Parteitag auch morgen früh einberufen, wenn man das will. Ich finde das schon ein starkes Stück, das der Herr Cameron mit uns spielt.“ Quelle: dpa
Obama, Brexit Quelle: AP
Putin, Brexit Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: REUTERS
Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa erklärt, dass der Ausgang des Referendums „uns alle nur traurig stimmen kann“. In einer vom Präsidialamt am Freitag in Lissabon veröffentlichten Erklärung betonte das 67 Jahre alte Staatsoberhaupt aber auch: „Das Europäische Projekt bleibt gültig.“ Allerdings sei es „offensichtlich“, so Rebelo de Sousa, dass „die Ideale (der EU) neu überdacht und verstärkt“ werden müssten. Quelle: dpa
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Quelle: dpa

Nach der Erschütterung der EU durch das britische Referendum wird es möglicherweise weitere Nachbeben geben. Vor allem in den Niederlanden könnte demnächst ein weiteres Austrittsreferendum anstehen.

Der dortige Rechtspopulist Geert Wilders feiert die Abstimmung der Briten als eigenen Sieg und fordert nun eigenes Referendum. „Bye bye Brüssel. Und die Niederlande werden die Nächsten sein!“ twitterte Wilders am frühen Morgen.

„Großbritannien weist Europa den Weg in die Zukunft und zur Befreiung. Es ist nun Zeit für einen neuen Anfang im Vertrauen auf die eigene Kraft und Souveränität. Auch in den Niederlanden“, erklärte Wilders.

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hat sich vom Ergebnis des britischen EU-Referendums enttäuscht gezeigt, aber zugleich vor Panik gewarnt. Nun müsse „in aller Ruhe“ nach einer stabilen Lösung gesucht werden, sagte Rutte am Freitag in Den Haag.

Zu den Forderungen nach einem niederländischen Referendum sagte er, die Zusammenarbeit in Europa sei für die Niederlande „lebenswichtig“. Die europäische Zusammenarbeit sorge für Arbeitsplätze und „kollektive Sicherheit in einer instabilen Welt“, bekräftigte der rechtsliberale Premier. Rutte ist er noch bis Ende des Monats EU-Ratspräsident.

Nach 43 Jahren verabschieden sich die Briten aus der EU und Premier David Cameron tritt zurück. Die schlimmsten Befürchtungen der Europäer sind wahr geworden. Großbritannien droht eine schwere innenpolitische Krise.
von Yvonne Esterházy

Ob sich Rutte auf die Dauer dem populären Ruf nach einem Referendum wird widersetzen können, ist fraglich. „Der Druck wird riesig sein, weil eine Mehrheit der Bevölkerung zumindest gefragt werden will, auch wenn sie nicht für den Austritt ist“, sagt der politische Analyst Roland Freudenstein von der Denkfabrik Martens Centre in Brüssel.  
Noch dramatischer für die gesamte EU dürften die Folgen sein, wenn sich die Chefin von Frankreichs rechtsextremer Front National (FN), Marine Le Pen, durchsetzt. Sie äußerte: „Sieg der Freiheit! Wie ich es seit Jahren fordere, brauchen wir jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und in den Ländern der EU.“

Zumal nach einer Umfrage eine negative Sicht auf die EU in Frankreich bei 61 Prozent der Bürger verbreitet ist, während das in den Niederlanden nur bei 46 Prozent der Fall ist.

Mit Material von dpa

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