Leitlinien zu Brexit-Verhandlungen Die EU lässt die Muskeln spielen

Beim Brexit-Gipfel in Brüssel ging es schnell: Die 27 Staats- und Regierungschefs der verbleibenden EU-Länder sind sich einig über die Leitlinien zu den Verhandlungen mit Großbritanniens. Für May könnte es teuer werden.

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Angela Merkel im Gespräch mit den Regierungschefs von Finnland, Italien und Schweden beim Brexit-Gipfel in Brüssel. Quelle: AP

Die EU hat ihre Richtlinien für die Brexit-Verhandlungen festgezurrt. Die zentralen Fragen seien zunächst, wie viel Geld Großbritannien der Europäischen Union noch schulde und wie der Aufenthaltsstatus von britischen Bürgern im EU-Ausland und EU-Bürgern in Großbritannien organisiert werden könne, sagte Ratspräsident Donald Tusk am Samstag nach einem Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der übrigen 27 EU-Länder. Erst dann könne über Themen wie die zukünftige Handelsbeziehung zu Großbritannien gesprochen werden.

Die Regierung in London hatte eigentlich gehofft, parallel zu den von Tusk genannten Punkten auch schon über ein neues Handelsabkommen zu verhandeln. "Bevor wir über die Zukunft diskutieren, müssen wir die Vergangenheit ordnen", sagte hingegen Tusk. "Wir werden das mit echter Sorgfalt handhaben - aber entschlossen."

Die britischen Bürger hatten im Juni vergangenen Jahres in einem Referendum mehrheitlich für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Weil es das erste Land ist, das diesen Schritt unternimmt, betreten beide Seiten bei den Verhandlungen Neuland. Festgehalten ist in den Europäischen Verträgen, dass die Austrittsverhandlungen zwei Jahre dauern sollen. Diese Frist begann mit dem 29. März, als die britische Premierministerin Theresa May offiziell den Antrag für einen Austritt stellte. Die Verhandlungen selbst sollen kurz nach der vorgezogenen Neuwahl in Großbritannien am 8. Juni beginnen.

Bei ihrem Gipfel stimmten die übrigen 27-Staats- und Regierungschefs nun ihre Positionen aufeinander ab. "Richtlinien einstimmig angenommen", twitterte Tusk nach dem Treffen. Der belgische Premier Charles Michel erklärte, die EU-27 würden sich nicht von Großbritannien spalten lassen.

Unter anderem wollen sie die Regierung in London für ausstehende Kosten zur Kasse bitten. Schätzungen zufolge könnte Brüssel bis zu 60 Milliarden Euro verlangen. "Wenn man nicht länger Teil des Clubs ist, hat das Konsequenzen", sagte Michel. "Ein Gratis-Brexit ist nicht möglich."

Bundeskanzlerin Angela Merkel machte nach Abschluss der Beratungen klar, dass über eine konkrete Summe für den Brexit nicht gesprochen worden sei. "Ich finde, darüber muss man auch erst einmal mit Großbritannien sprechen", sagte die CDU-Politikerin nach dem Gipfel der 27 verbleibenden EU-Länder. Merkel machte deutlich, dass dies aber bereits in der ersten Phase der Verhandlungen angegangen werden müsse, ebenso wie die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und der Briten in Europa.

Merkel hob zugleich die gemeinsamen Sicherheitsinteressen mit Großbritannien hervor, die angesichts geopolitischer Herausforderungen die Verhandlungen über den Brexit mitbestimmen würden.

Die Kanzlerin wies den Vorwurf zurück, man wolle nun ein Bündnis gegen die Briten schmieden. Aber es sei "das Natürlichste von der Welt", dass die anderen 27 EU-Staaten mit einer Stimme sprechen wollten. Schließlich habe auch die britische Premierministerin Theresa May betont, eine starke Union der 27 sei in Londons Interesse.

Tusk will neben der Geldfrage ganz oben auf die Agenda vor allem das Schicksal jener Menschen setzen, die bisher aufgrund der Freizügigkeit in der EU in allen Mitgliedsstaaten arbeiten konnten, also auch Briten auf dem Kontinent und umgekehrt.

Alle Seiten bräuchten "solide Garantien für alle Bürger und ihre Familien, die vom Brexit auf beiden Seiten betroffen sein werden", sagte Tusk. "Dies muss die oberste Priorität sein." Rund drei Millionen Bürger aus den 27 anderen EU-Ländern leben in Großbritannien, während bis zu zwei Millionen Briten in Festlandeuropa leben.

Tusk sagte, die Einheit der 27 werde auch der britischen Regierung helfen, weil sie während der gesamten Gespräche politische Gewissheit haben werde. "Unsere Einheit ist auch im Interesse des Vereinigten Königreichs", sagte er.

In den vergangenen Jahren war die EU häufig gespalten bei Themen wie der Finanzkrise und darüber, wie mit Hunderttausenden Migranten umgegangen werden soll, die in die EU kommen.

Bei ihrem Gipfel betonten die Staats- und Regierungschefs auch, dass Nordirland der EU in der Zukunft beitreten könne, wenn die Nordiren für einen Zusammenschluss mit dem EU-Mitgliedsstaat Irland stimmen. Eine entsprechende Erklärung sei im Protokoll des Gipfels enthalten, sagte der irische Europaminister Dara Murphy.

Die künftigen Beziehungen zwischen Irland und Großbritannien haben sich als ein Hauptproblem der Brexit-Verhandlungen herauskristallisiert. Denn dort liegt auch die einzige Landgrenze zur EU.

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