Brexit Auf die jungen Briten wird es ankommen

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Wirtschaftsargumente werden wichtiger

Finanzminister Osborne zitierte Expertenschätzungen, dass Brexit das Bruttoinlandsprodukt um fünf bis sechs Prozent schrumpfen lassen werde - „Ich selbst allerdings glaube, es könnte sogar noch schlimmer werden“ – und kündigte für den Fall einen drastischen Sparhaushalt an. Damit hat er nach Ansicht vieler Kommentatoren den Bogen überspannt. Seine düsteren Prognosen könnten eher dem Brexit-Lager Munition liefern, das von einer Einschüchterungskampagne spricht. Schützenhilfe hatte Osborne aber schon von einer Reihe britischer Volkswirte und internationaler Organisationen wie der OECD und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten.

Der IWF meldete sich am Samstag erneut zu Wort und erklärte, im Falle eines Austritts müsse Großbritannien nicht nur mit den 27 anderen EU-Staaten sondern auch mit rund 60 Nicht-EU-Ländern seine Handelsbeziehungen neu aushandeln, was lange Jahre dauern dürfte.

Viele britischen Medien haben mittlerweile öffentlich Stellung bezogen. So empfehlen der „Telegraph“,  der „Sunday Telegraph“ und die „Sunday Times“, für den Brexit zu stimmen. Auf derselben Linie liegen die Boulevardzeitungen „Sun“, „Daily Mail“ und „Daily Express“. Dagegen sprachen sich die „Times“, der „Guardian“, die „Mail on Sunday“, der „Observer“ und die linken Boulevard-Blätter „Sunday Mirror“ und „Daily Mirror“ für den Verbleib in der EU aus. Überraschenderweise stehen die Murdoch-Zeitungen „Sun“ und „Times“ damit in gegensätzlichen Lagern. Wenig überraschend dagegen plädieren die Wirtschaftsblätter „Financial Times“ und „Economist“ für den EU-Verbleib.

An den Finanzmärkten wird das Referendum mit besonderer Spannung erwartet, die Volatilität hat hier vor allem an den Devisenmärkten erheblich zugenommen. Der Pfundkurs ist ein Gradmesser für die Einschätzung der Märkte ob Remain oder Leave die Nase vorne hat. So hatte das Pfund vor dem Attentat auf Cox gegenüber dem Dollar an Wert eingebüßt,  weil die Devisenhändler auf das Umfrageplus der Brexit-Befürworter reagierten. Seither hat sich der Kurs der britischen Währung aber wieder erholt, was die Zuversicht ausdrückt, Großbritannien werde doch in der EU bleiben.

Nach der Schließung der Wahllokale um 22 Uhr Ortszeit am Donnerstag wird die BBC keine Hochrechnungen veröffentlichen. Deswegen wird es wohl bis Freitagmorgen spannend bleiben. Allerdings haben eine Reihe von Hedgefonds offenbar private Umfragen in Auftrag gegeben. Da viele Devisenhändler die Nacht durchmachen werden und in Asien ohnehin gehandelt wird, könnte die Entwicklung des Pfundkurses also als wichtiger Frühindikator den Austritt oder Verbleib signalisieren.

Auch viele Studenten werden in dieser Nacht lange wach bleiben. Allerdings nicht nur wegen des Referendums, sondern wegen des Glastonbury-Musikfestivalls und den vielen Parties und Bällen, die in britischen Universitätsstädten am Ende des Sommertrimesters gefeiert werden.

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