Bundesverfassungsgericht Ist Ceta mit dem Grundgesetz vereinbar?

Ceta ist undemokratisch und verstößt gegen unsere Verfassung – das meinen jedenfalls die Gegner des Freihandelsabkommens mit Kanada. Ist das tatsächlich so? Darüber verhandelt nun das Verfassungsgericht. Welche Fragen Karlsruhe klären muss.

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Es ist unwahrscheinlich, dass Karlsruhe der Bundesregierung verbietet, Ceta vorläufig in Kraft zu setzen. Quelle: REUTERS

Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte die SPD das Freihandelsabkommen mit Kanada gestoppt. Das hatten zumindest die Ceta-Gegner gehofft. Doch der Parteikonvent der Sozialdemokraten folgte vor knapp einem Monat ihrem Parteichef Sigmar Gabriel und nickte den Vertragstext ab.

Nun nehmen die Gegner, darunter Organisationen wie Foodwatch, Mehr Demokratie und Campact, einen neuen Anlauf. Sie klagen vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, dass der Vertrag vorläufig angewendet wird. Was die Gegner erreichen wollen und wie ihre Chancen stehen – vier Fragen und Antworten.

1. Um was geht es bei der Verhandlung in Karlsruhe?

EU-Kommission und Mitgliedsstaaten haben vereinbart, Ceta als sogenanntes gemischtes Abkommen zu behandeln. Dies bedeutet, dass 43 Parlamente zustimmen müssen, darunter das Europäische Parlament, die 28 nationalen Parlamente sowie 14 regionale. Politik, Wirtschaft und Beobachter gehen davon aus, dass dieser Prozess drei bis fünf Jahre dauern dürfte. So lange will die Politik aber nicht warten und bereits jene Elemente des Vertrages in Kraft setzen, für die die europäische Ebene alleine zuständig ist.

Aus Sicht von Völkerrechtler Christian Tietje muss das Bundesverfassungsgericht nun zwei Fragen gegeneinander abwägen. „Wie groß ist der verfassungsrechtliche Schaden, wenn der Bundeswirtschaftsminister in Brüssel zustimmen darf? Und wie groß wäre der Schaden, wenn das Abkommen nicht vorläufig in Kraft treten kann“, erklärt der Rechtswissenschaftler von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Der Rat der 28 EU-Wirtschaftsminister kann die vorläufige Erlaubnis mit einem einstimmigen Beschluss erteilen, wenn Karlsruhe dem deutschen Vertreter dies nicht verbietet. In einem ähnlichen Modus könnten die Europäer Ceta auch wieder aufkündigen. „Das Argument, die europäische Demokratie werde ausgehöhlt, zieht also nicht“, sagt Tietje.

2. Welche Chancen haben die Ceta-Gegner?

Wenn das Bundesverfassungsgericht Ceta stoppen würde, wäre nicht nur der Vertrag mit Kanada Geschichte, sondern wohl auch transatlantisches Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, kurz TTIP. Insofern hat das Urteil eine hohe politische Brisanz. Tietje geht aber nicht davon aus, dass die Bundesregierung besorgt sein muss. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Karlsruhe Sigmar Gabriel verbieten wird, Ceta zuzustimmen“, sagt der Völkerrechtler.

Auch Franz Mayer von der Universität Bielefeld kommt zu diesem Schluss. Er vertritt die Bundesregierung am Mittwoch und Donnerstag in Karlsruhe. Bereits nach einem Tag Verhandlung wollen die Richter ihre Entscheidung verkünden. „Ceta ist ein normaler völkerrechtlicher Vertrag“, argumentiert Mayer. „Politisch kann man ihn für falsch halten, aber er verstößt keinesfalls gegen das Grundgesetz.“

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