Die Europäische Union hat die endgültige Entscheidung über den Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens mit Kanada (Ceta) vertagt. Bei einem Handelsministertreffen in Luxemburg konnten am Dienstag nicht alle Vorbehalte von Mitgliedstaaten ausgeräumt werden. Die Diskussionen sollten nun fortgesetzt werden, um das Abkommen doch noch wie geplant am Donnerstag nächster Woche unterzeichnen zu können, teilte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström mit.
Widerstand gegen Ceta kommt unter anderem aus dem französischsprachigen Teil Belgiens, welcher der Föderalregierung in Brüssel sein Einverständnis zur Unterzeichnung des Abkommens mit Kanada geben muss. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel haben auch Rumänien und Bulgarien weiter Vorbehalte. Sie wollen erreichen, dass ihr Bürger wie alle anderen EU-Bürger möglichst bald ohne Visum nach Kanada reisen können.
Der belgische Außenminister Didier Reynders sagte, dass seine Regierung weiter daran arbeite, die notwendige Unterstützung aller Regionen zu erhalten. Er hoffe, dass man sie überzeugen könne und dann beim Gipfel vorankomme. Nach bisherigen Planungen soll Ceta beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober feierlich unterzeichnet werden.
Die Freihandelsabkommen
Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde. Kritiker sehen durch beide Abkommen unter anderem demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt.
TTIP ist ein sich in der Verhandlung befindendes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter beider Regierungen geheim – auch die nationalen Parlamente der EU erhalten keine detaillierten Informationen.
In dem Abkommen geht es um Marktzugänge durch den Abbau von Zöllen. Zudem sollen globale Regeln entwickelt werden – etwa zur Vereinheitlichung von Berufszugängen innerhalb der Handelszone. Auch Gesundheitsstandards und Umweltstandards sollen angeglichen werden.
Als Blaupause für das Abkommen gilt CETA.
Beim Treffen in Luxemburg wurde aber auch Unmut über die Blockade durch die Wallonie laut. Der Handel habe die EU erst groß gemacht und Belgien habe diese Entwicklung als Gründungsmitglied mitgetragen, sagte der slowakische Minister Peter Ziga. Warum sich jetzt der französischsprachige Teil des Landes gegen Ceta stemme, sei nicht nachvollziehbar. „Ich verstehe das nicht.“
Die Wallonen haben die Sorge, dass billige Produkte aus Kanada ihren Bauern schaden könnten. Zudem gibt es in der Wallonie wie auch in anderen Teilen Europas Bedenken, dass durch Ceta der Arbeitnehmerschutz aufgeweicht und der Weg für das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP mit den USA geebnet werden könnte.
Die kanadische Außenhandelsministerin Chrystia Freeland sagte in Ottawa, was Ceta angehe, sei sie immer noch „vorsichtig optimistisch“. Ihre Gesprächspartner auf Seiten der EU hätten ebenfalls Zuversicht geäußert. „Aber zu diesem Zeitpunkt ist der Ball auf dem Feld der Europäer.“
Mit dem geplanten Freihandelsabkommen wollen die EU und Kanada ihre Wirtschaftsbeziehungen auf eine neue Basis stellen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum geben. So ist unter anderem vorgesehen, Zugangsbeschränkungen bei öffentlichen Aufträgen zu beseitigen und Dienstleistungsmärkte zu öffnen.
Kritiker befürchten jedoch, dass sich Ceta negativ auf Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz auswirkt und demokratische Verfahren aushöhlt.
Die EU-Kommission und die Regierungen der meisten Mitgliedstaaten widersprechen dieser Sichtweise vehement. Sie betonen, dass die europäischen Standards in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und Arbeitnehmerrechte uneingeschränkt gewahrt werden.
Vor dem Ministertreffen demonstrierten dennoch wieder Ceta-Gegner. Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace kletterten auf das Versammlungsgebäude und entrollten vor der Fassade ein gelbes Banner mit der Aufschrift „Don't trade away democracy“ (Handelt nicht die Demokratie weg).