Vergeben Banken angesichts des auch von der Geldpolitik ausgelösten Immobilienbooms zu viele Baukredite?
Unsere Daten zeigen keinen besonders starken Anstieg bei der Vergabe von Immobilienkrediten. Wir haben kaum Hinweise, dass sich die Standards der Kreditvergabe lockern. Strukturell könnten aber einige Banken in Probleme geraten, wenn es zu einem Rückgang der Immobilienpreise käme. Das haben wir sehr genau im Blick. Aktuell arbeiten wir zudem daran, unsere Datenbasis noch weiter zu verbessern. Das im Aufbau befindliche europäische Kreditregister wird uns künftig helfen, bessere und umfassendere Informationen zu Immobilienkrediten zu erhalten.
Und wie steht es um die Kreditvergabe in Deutschland insgesamt?
Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Unternehmen in ihrer Finanzierung beschränkt sind. Das Kreditvolumen ist – gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung – deutlich größer als etwa in den Siebzigerjahren. Dieser Befund gilt auch für andere europäische Länder. Dies kann so interpretiert werden, dass der Finanzsektor besser entwickelt ist. Eine hohe Verschuldung kann ein Finanzsystem aber auch anfälliger machen für Schocks. Daher sollte es auch unser Ziel sein, noch bestehende Barrieren für die Entwicklung und Integration der europäischen Märkte für Eigenkapital aus dem Weg zu räumen.
Also ist die deutsche Wirtschaft zu hoch verschuldet?
So pauschal kann man das nicht sagen. In der Summe haben die Unternehmen ihre Verschuldungsquote abgebaut und ihre Eigenkapitalbasis gestärkt. Auch die Banken haben Eigenkapital aufgebaut. Allerdings leiden die deutschen Banken unter einer Ertragsschwäche. Wir müssen Sorge tragen, dass sie gegen negative wirtschaftliche Entwicklungen gewappnet sind.
Banken klagen über zu viele und zu strenge Regeln. Schießt der Ansatz, Investmentbanking vom Kreditgeschäft zu trennen, über das Ziel hinaus?
Wichtig ist es, dass Banken zur Absicherung all ihrer Geschäfte ein ausreichendes Eigenkapital vorhalten. Ich glaube nicht, dass sich „gute“ und „schädliche“ Bankgeschäfte nach einer einfachen Regel trennen lassen.
Wegen strengerer Regeln für Banken wandern viele Geldgeschäfte in den nicht überwachten Teil des Finanzmarkts ab.
Diese Gefahr besteht. Deshalb gibt es umfassende Initiativen, um die Ausweichreaktionen besser zu beobachten und zu dokumentieren. Hier geht es vor allem um sogenannte Schattenbanken, also Finanzinstitute, die ähnliche Geschäfte wie Banken durchführen, nicht aber entsprechend reguliert werden. Prinzipiell sollten diese Institute den gleichen Regeln unterworfen sein wie Banken, sofern sie gleiche Geschäfte betreiben.
Sollten Banken und Versicherungen ihre Staatsanleihen zum Risikovermögen rechnen?
In der Bankenregulierung müssen Forderungen an Staaten nicht oder zumindest nicht im gleichen Maße mit Eigenkapital unterlegt werden wie Forderungen an andere Schuldner. Auch Beschränkungen auf Großkredite gelten nicht analog. Diese Privilegierung von Staatsanleihen in der Regulierung sollten wir mittelfristig abschaffen, denn sie führt letztlich zu verzerrten Anlageentscheidungen. Die Krise hat ja gerade gezeigt, wie schwer es sein kann, Risiken von Banken und Staaten zu trennen.
Könnte die viel diskutierte Finanztransaktionsteuer die Märkte sicherer machen?
Die Finanztransaktionsteuer setzt in meinen Augen nicht bei den eigentlichen Ursachen der Krise an. Ziel muss es sein, Anreize richtig zu setzen und die Eigenkapitalbasis zu stärken. Die Finanztransaktionsteuer könnte aber genau das Gegenteil bewirken, da sie auch auf Transaktionen an den Aktienmärkten angewandt würde.