Das Rüstungsdebakel der Bundeswehr Die Bundeswehr muss zur EU-Armee werden

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„Die meisten Rüstungsindustrien sind national“

Sondern?

Notwendig sind mehr pragmatische Schritte. Immer noch existieren zu viele nationale Hürden. So  müsste es etwa einen funktionierenden europäischen Rüstungsmarkt geben, aber dafür sind die nationale Hürden zu beseitigen.

Was für Hürden sind das?

Es sind die jeweiligen Nationen, die Waffen bestellen und die Planungen vornehmen. Hier fehlt es an Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten. Die Staaten sind gemeinsam in einem Bündnis – da sollte es eine gemeinsame Bedarfsplanung geben: Was brauchen die Staaten an militärischem Gerät? Wofür brauchen sie es? Wer soll es herstellen? Und da geht es letzten Endes um die Verteilung des Kuchens.

Braucht die Bundeswehr mehr Geld?

Kooperationen auf Produzentenebene gibt es doch bereits. Die Sorgendrohne Euro Hawk und der Eurocopter Tiger sind zum Beispiel Gemeinschaftsprojekte. Sie scheinen aber mehr Probleme zu bereiten als zu lösen.

Kooperation heißt ja nicht, dass es einfacher wird. Ab einem gewissen Punkt bringen die teilhabenden Nationen unterschiedliche Interessen ein: Die Franzosen haben andere Vorstellungen von einem Helikopter und seinem Gebrauch als die Deutschen. Dann muss das System in verschiedenen Varianten hergestellt werden. Das ist ineffizient und teuer.

Das Problem ist oft die Förderung der heimischen Industrie. Warum muss Airbus beispielsweise für den A400M einen neuen Antrieb herstellen, wenn es ein kanadisches Unternehmen gibt, das einen viel erprobten Antrieb vorweisen kann?

Da stecken nationale Wirtschaftsinteressen hinter. Das ist reine Industriepolitik.

Die Problem-Projekte der Rüstungsindustrie
Airbus A400MEs sollte das Vorzeigeprojekt von Airbus (früher EADS) werden: Mit dem Transportflugzeug A400M wollten die Europäer den Russen und Amerikanern zeigen, zu welchen technischen Fähigkeiten sie in der Lage sind. Herausgekommen ist ein Desaster. Die Auslieferung der ersten Maschinen war für 2009 geplant, geliefert wurde allerdings bisher kaum eine Maschine. Die Franzosen haben derzeit zwei Maschinen in ihrem Besitz, Deutschland soll 2014 den ersten A400M erhalten.Quellen: Bund der Steuerzahler, HRI, Bundesverteidigungsministerium Quelle: dpa
Die Verzögerungen in der Produktion haben auch die Kosten in die Höhe getrieben. So sollen die Mehrkosten laut Verteidigungsministerium satte 9,3 Milliarden Euro betragen – obwohl die Bundesregierung bereits die Notbremse gezogen hat und Flieger abgestellt hat: Von den ursprünglich bestellten 73 Maschinen sollen der Bundeswehr nun nur noch 40 zur Verfügung gestellt werden. Weitere 13 will Deutschland direkt weiterverkaufen. Käufer wurden bisher allerdings noch nicht gefunden. Quelle: AP
EurofighterDie Anfänge des Kampffliegers „Eurofighter“ gehen bis in die frühen 80er-Jahre zurück. Mit ihm wollten die Europäer den übermächtigen sowjetischen Kampfjets etwas entgegensetzen. Doch auf dem Weg der Entwicklung kam Airbus die Geschichte in die Quere. Denn Ende der 80er-Jahre fiel zunächst die Berliner Mauer, später brach die Sowjetunion zusammen. Doch alles kein Problem: Mit großem Verhandlungsgeschick gelang es Airbus die Regierungen in Europa davon zu überzeugen, an dem Projekt festzuhalten. Quelle: obs
So sicherte der Rüstungskonzern zu, dass der Eurofighter im Laufe der Jahre immer weiter modifiziert werde und so den neuen Rahmenbedingen angepasst werde. Allerdings zeigten die ersten ausgelieferten Jets etliche technische Probleme, deren Behebung weitere Kosten verursachten. Ursprünglich sollte eine Maschine circa 33 Millionen Euro (Preis von 1998) kosten, am Ende schoss der Preis auf 138,5 Millionen Euro in die Höhe. Die Bundeswehr nimmt daher nur noch 140 von ursprünglich geplanten 250 ab. Doch es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Eurofighter trotz aller Probleme ein durchaus konkurrenzfähiges Flugzeug ist. Dies zeigte sich 2005 in einem „Schaukampf“, bei dem zwei amerikanische F-15-Kampfjets gegen eine Eurofighter-Trainingsmaschine antraten und zu Überraschung aller Beteiligten der Eurofighter dieses Gefecht klar für sich entscheiden konnte. Quelle: dpa
NH 90Der Mehrzweckhubschrauber von NH Industries sollte das Rückgrat der deutschen beziehungsweise europäischen Hubschrauberflotte werden. 2010 erhielt die Bundeswehr die ersten Helikopter, die von einer Expertengruppe eingehend getestet wurden. Ihr Urteil war vernichtend. Sie kamen zu dem Schluss, dass, wann immer es möglich sei, alternative Luftfahrzeuge zum Transport von Infanteriekräften zu nutzen seien. Die Mängelliste ist lang und skurril. Zum Beispiel ermöglicht die geringe Bodenfreiheit Soldaten nur auf befestigtem Boden den Ausstieg. Außerdem ist die Heckrampe nicht für den Ausstieg ausgerüsteter Soldaten geeignet, da deren Konstruktion zu schwach ist. Doch das noch lange nicht alles... Quelle: dpa
Der Innenraum des NH90 ist derart eng bemessen, dass eine Infanteriegruppe mit Gepäck für 24 Stunden nur dann in den Hubschrauber passen würden, wenn sie ihre Waffen und das Gepäck ohne Sicherungen auf den Boden legen. Diese Beengtheit macht eine Anbringung eines Bordgeschützes außerdem praktisch unmöglich, weshalb der Helikopter im Ernstfall mit anderen Mitteln verteidigt werden müsse. Zu guter Letzt können schwere Waffen aufgrund fehlender Gurte nicht transportiert werden. Ursprünglich waren 122 NH 90 geordert worden, letztlich werden es Stand jetzt circa 100 werden. Kostenpunkt: 8,6 Milliarden Euro. Immerhin gibt es zu diesem Preis weitere Kampfhubschrauber im Paket... Quelle: dpa
TigerUnd zwar 57 Kampfhubschrauber Tiger. Die Pläne für die Eurocopter-Maschine reichen bis in das Jahr 1984 zurück. Zusammen mit der französischen Regierung gab die Bundesregierung eine Alternative zum PAH-1 in Auftrag. Dieser ging an Eurocopter (Airbus) mit dem Entwurf des Tigers. Dieser Mehrzweck-Kampfhubschrauber sollte in Konkurrenz zum amerikanischen Apache treten. Quelle: REUTERS

Ist das ein neues Phänomen?

Nein, das war schon immer so. Als die Bundeswehr beispielsweise in den Neunziger Jahren anfing, umzurüsten, um eine Armee des Einsatzes zu werden, stellte sie fest, es fehlt an strategischen Transportmitteln. Auf dem Markt war ein preisgünstiges Flugzeug, die ukrainische Antonow, das den Anforderungen entsprach.

Trotzdem wurde ein neues Projekt aufgelegt: Der Airbus A400M. Der A400M ist nicht einmal in der Lage, das zu erfüllen, was gefordert war. Deutschland, Frankreich und die anderen beteiligten Staaten zogen die Förderung der heimischen Industrie trotzdem vor. Hinter solchen Entscheidungen stecken immer auch nationale, ökonomische und industriepolitische Interessen.  

Sind solche Kooperationen eher Vorzeigeprojekt, um der Welt zu zeigen: Wir kooperieren militärisch, wir haben mit Airbus, vormals EADS, ein deutsch-französisches Großunternehmen?

Hinter EADS steckt mehr als bloße Symbolik. Aber die Grundregel ist: Die meisten Rüstungsindustrien sind national. Und EADS ist mit seinem Versuch gescheitert, mit der britischen Rüstungsfirma BAE Systems zu fusionieren – und zwar auf Druck der Bundesregierung. Die Folge: EADS will sich mehr auf den zivilen Flugsektor konzentrieren.

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