David Cameron tritt zurück Politisches Erdbeben in Großbritannien

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Aufreibende Austrittsverhandlungen werden erwartet


Bis auf weiteres bleibt Großbritannien formal noch Mitglied der EU, für die Unternehmen bedeutet dies weiterhin einen ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt. Die nächsten zwei Jahre werden jedoch von aufreibenden den Austrittsverhandlungen dominiert sein, formal beginnen sie, sobald Großbritannien den Paragraph 50 des Lissabon-Vertrages aktiviert. Wann das sein wird ist jedoch unklar, da die Brexit-Befürworter unter der Führung von Justizminister Michael Gove und Boris Johnson sich stets dafür ausgesprochen hatten, diesen Prozess erst nach mehreren Monaten anlaufen zu lassen. Cameron will damit allerdings nicht warten.

Konsequenzen des Austritts sind noch unklar

Welche wirtschaftlichen Konsequenzen der Austritt für Großbritannien, das rund 45 Prozent seiner Exporte an die EU verkauft, haben wird, wird  auch davon abhängen, ob die übrigen Europäer zu Konzessionen bereit sind, was den Zugang zum Binnenmarkt angeht. Markus Kerber, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDI hatte hier am Dienstag bereits zur Kompromissbereitschaft aufgerufen: „Es wäre verrückt, Handelsbarrieren gegen Großbritannien zu errichten“, sagte er der BBC.

Wie es nach dem Referendum weiter geht
Premierminister David Cameron Quelle: dpa
Artikel 50 Quelle: dpa
Der ungeregelte Austritt Quelle: dpa
Das Modell „Norwegen“: Quelle: dpa
Das Modell „Schweiz“: Quelle: dpa
Das Modell „Kanada“: Quelle: dpa
Das „WTO“-Modell Quelle: REUTERS


Der BDI dränge die Politiker auf allen Seiten ein Arrangement für ein Handelsregime zu finden, welches es erlaube, den Warenaustausch auf dem bisherigen Niveau aufrecht zu erhalten, so Kerber. Howard Archer, Chefvolkswirt von IHS meint allerdings. “sollte es zu einem harten Exitszenario kommen, wird es ein langwieriger und aufreibender Prozess“. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenbergbank warnt, dass nicht nur ein kurzfristigen Schock sondern auch langfristige Folgen für die britische Konjunktur zu erwarten seien.


Die EU-Gegner haben beim Referendum in Großbritannien gesiegt. An den Finanzmärkten fallen die Kurse - und nach dem Brexit-Schock geht die Angst vor einem „Black Friday“ um. Erste Reaktionen von Ökonomen im Überblick.



Natürlich sehen die Brexit-Protagonisten das anders: sie wünschen sich weiterhin eine Kontinuität der Freihandelsabkommen, die wir jetzt bereits haben. Wir müssen Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren“ so Andreas Leadsom eine führende Brexit-Befürworterin, „Dies ist eine wunderbare Chance für Großbritannien“, erklärte sie.

Der Think Tank Open Europe gab allerdings schon vor einer Weile zu bedenken, dass der Zugang zum Binnenmarkt nur mit erheblichen Zugeständnissen auf britischer Seite möglich sein dürfte: weitere Einzahlungen in den EU-Haushalt etwa und die Akzeptanz, dass für Arbeitskräfte auch weiterhin Freizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU herrschen müsse.

Politisch allerdings kaum machbar, da die britischen Wähler sich ja ausdrücklich eine Reduktion der Zuwanderung wünschen. Dem britischen Parlament kommt hier allerdings eine Schlüsselstellung zu, denn anders als in der Gesamtbevölkerung ist dort die Mehrheit der Abgeordneten für den Verbleib in der EU gewesen: Von den 650 Abgeordneten waren nur 130 für Brexit. Deshalb könnte es sein, dass man dort einen Kompromissvorschlag sucht.

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