Électricité de France Frankreichs Atomkonzern droht zu scheitern

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Prestige zum hohen Preis

Vor allem Frankreichs Regierung, der 85 Prozent der Anteile an EDF gehören, will auf jeden Fall an dem Projekt festhalten.
Es geht darum, eine der wenigen noch existierenden Größen der französischen Industrie zu verteidigen und eine Technologie mit aller Macht hoch zu halten, in der man sich führend in der Welt glaubt. So ist es heute, so war es schon ganz zu Beginn dieses Projekts.

2008 beschloss die britische Regierung, ihre 35,2 Prozent an dem Energieversorger British Energy zu verkaufen. Mehrere europäische Konkurrenten meldeten Interesse an, darunter die deutschen Konzerne E.On und RWE sowie Iberdrola aus Spanien. Bald winkten sie jedoch ab. Die Briten schienen ihnen zu problematisch. Nur der damalige EDF-Chef Pierre Gadonneix bekundete Interesse. Im Juni 2008 bot der Franzose 15,1 Milliarden Euro für 100 Prozent an British Energy. Das Gebot lag um 40 Prozent über dem Börsenkurs vor dem Aktienhöhenflug im Zuge der Übernahmespekulationen. Weil das dem Management von British Energy aber noch nicht reichte, legte Gadonneix weitere 700 Millionen Euro drauf.

Damit EDF keinen zu großen Goodwill, also den Unterschied zwischen gezahltem und tatsächlichem Wert, in seine Bücher schreiben musste, kündigten die Franzosen umgehend den Bau zweier Druckwasserreaktoren der dritten Generation, sogenannte EPR, auf dem Gelände von British Energy an. Das sollte den Wert des britischen Versorgers in der Zukunft steigern.

2008 rechnete niemand mit den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe drei Jahre später im japanischen Fukushima, die weltweit das Geschäft mit der Atomkraft schwieriger machen wird. Und auch einen Rückgang der Strompreise um 30 Prozent im Zug des Ölpreisverfalls erwartete niemand.

Stattdessen bediente sich der französische Staat an den Dividenden. Rund 20 Milliarden Euro hat EDF seit dem Börsengang Ende 2005 an die Staatskasse überwiesen – jährlich zwischen 55 und 60 Prozent seiner Gewinne. Die Strompreise gehören gleichzeitig zu den niedrigsten in Europa, das will der Wähler so.

Die Gewerkschaften dürfen jedes Jahr Einkommenserhöhungen von drei Prozent durchsetzen, obwohl der französische Rechnungshof diese Lohnpolitik kritisiert. Und als der französische Atomkonzern Areva über die mangelnde internationale Nachfrage nach seinen Kraftwerken ins Strudeln geriet, zwang die inzwischen sozialistische Regierung EDF 2015, dessen Kraftwerksbausparte Areva NP für 2,5 Milliarden Euro zu übernehmen. In Lévy, dem ehemaligen Chef des Medienkonzerns Vivendi und des Rüstungskonzerns Thales, fand die Regierung einen Manager, der ihre Pläne umzusetzen versprach.

Bis dahin geht diese sehr französische Industriepolitik irgendwie auf.

Im März dieses Jahres aber kündigt der Finanzchef, Thomas Piquemal – und begründet seine Demission mit dem Meilerprojekt in Großbritannien. Bis dahin haben lediglich die Gewerkschaften Alarm geschlagen. Aber schlagen die nicht ständig Alarm?

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