Der Ausgang des in der Nacht zum Freitag losgebrochenen Putsches in der Türkei war noch nicht abzusehen, da war für die Regierung in Ankara schon klar, wer dahinter steckt: Fethullah Gülen, im amerikanischen Exil lebender Imam und Begründer einer Bewegung, die für religiöse und demokratische Werte eintritt.
Ein Anwalt Ankaras in den USA, Robert Amsterdam, sprach von „Anzeichen einer direkten Beteiligung“ des 75-jährigen Geistlichen. Die US-Regierung sei wiederholt auf die Gefahr hingewiesen worden, die Gülen und seine Bewegung darstellten, sagte Amsterdam. Türkische Geheimdienstinformationen zeigten, „dass es Hinweise gibt, dass Gülen eng mit gewissen Mitgliedern der militärischen Führung gegen die gewählte zivile Regierung zusammen arbeitet“.
Gülens Anhänger weisen das strikt zurück. Der Präsident der in New York ansässigen Allianz für Gemeinsame Werte, Y. Alp Aslandogan, sagte der Nachrichtenagentur AP: „Wir weisen solch Anschuldigungen kategorisch zurück und betrachten sie als zutiefst unverantwortlich.“ In den ersten Stunden des Putsches erklärte die Allianz: „Wir verurteilen eine jegliche militärische Intervention in die Innenpolitik der Türkei.“
Schlüsselstaat Türkei
Die Republik Türkei ist laut der Verfassung von 1982 ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Regiert wird das Land von Ministerpräsident Binali Yildirim und dem Kabinett. Staatsoberhaupt ist Recep Tayyip Erdogan, als erster Präsident wurde er 2014 direkt vom Volk gewählt. Im türkischen Parlament sind vier Parteien vertreten, darunter - mit absoluter Mehrheit - die islamisch-konservative AKP von Erdogan. Parteien müssen bei Wahlen mindestens 10 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um ins Parlament einziehen zu können. Die Türkei ist zentralistisch organisiert, der Regierungssitz ist Ankara. (dpa)
Die Türkei ist seit 1999 Kandidat für einen EU-Beitritt, seit 2005 wird darüber konkret verhandelt. Würde die Türkei beitreten, wäre sie zwar der ärmste, aber nach Einwohnern der zweitgrößte Mitgliedstaat, bei derzeitigem Wachstum in einigen Jahren wohl der größte.
Als Nachbarstaat von Griechenland und Bulgarien auf der einen Seite und Syrien sowie dem Irak auf der anderen Seite bildet die Türkei eine Brücke zwischen der EU-Außengrenze und den Konfliktgebieten des Nahen und Mittleren Ostens.
Seit Beginn des Syrien-Konflikts ist die Türkei als Nachbarstaat direkt involviert. Rund 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge nahm das Land nach eigenen Angaben auf. Die türkische Luftwaffe bombardiert allerdings auch kurdische Stellungen in Syrien und heizt so den Kurdenkonflikt weiter an.
1952 trat die Türkei der Nato bei. Das türkische Militär - mit etwa 640 000 Soldaten und zivilen Mitarbeitern ohnehin eines der größten der Welt - wird bis heute durch Truppen weiterer Nato-Partner im Land verstärkt. Im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe sollen auch Atombomben auf dem Militärstützpunkt Incirlik stationiert sein.
Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Antworten im Überblick:
Wer ist Fethullah Gülen?
Der am 27. April 1941 in der türkischen Provinz Erzurum geborene Gülen ist vor gut einem halben Jahrhundert mit einer Philosophie hervorgetreten, die eine mystische Form des Islams mit einer entschiedenen Betonung von Demokratie, Bildung, Wissenschaft und Dialog zwischen den Religionen verband. Anhänger des Imams begannen, an die 1000 Schulen in mehr als 100 Ländern zu gründen. In der Türkei entstanden Universitäten, Krankenhäuser, Wohltätigkeitsorganisationen und ein großes Medienimperium der Gülen-Bewegung.
Präsident Recep Tayyip Erdogan wirft Gülen schon lange vor, ein Komplott zum Sturz der offiziell säkularen türkischen Regierung zu schmieden. Gülen selbst lebt zurückgezogen in einem großen, von der Außenwelt abgeschirmten Anwesen in Pennsylvania und tritt nur selten in der Öffentlichkeit auf. In der Türkei wurden mindestens drei Prozesses gegen ihn geführt - in Abwesenheit.