Eskalation im Osten Die Schwächen von Europas Ost-Politik

Auch aus Furcht vor wirtschaftlichen Nachteilen lehnt die Ukraine eine EU-Annäherung ab. Was auf kurze Sicht stimmt – und die Frage aufwirft, warum Brüssel die Bedenken nicht entkräftet hat.

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Die EU tut sich mit den Ländern im Osten schwer. Quelle: dpa

Ihrer Mutti-Rolle wurde Angela Merkel (CDU) auf dem Osteuropa-Gipfel der EU im baltischen Vilnius wieder einmal gerecht: Man werde der Ukraine die Tür nach Europa offenhalten, versprach die Bundeskanzlerin gönnerhaft. Und kaschierte damit souverän, dass der vorgeblich gemeinsamen EU-Außenpolitik gerade die größte Niederlage seit der verpennten Mali-Krise zu Jahresbeginn widerfahren war: Nach sechsjährigen Verhandlungen hatte die Ukraine einen Rückzieher vom Assoziierungsabkommen gemacht und sich dem Druck des Nachbarn Russland gebeugt, der Freihandel zwischen der Ukraine und der EU verhindern will. Punktsieg für Moskau!

Die Haltung der Kanzlerin spricht für das Sendungsbewusstsein der EU-Oberen: Brüssel diktiert die Bedingungen für eine EU-Assoziierung – die Reform des Zollkodex, die Stärkung des Rechtsstaats, die Anpassung von Normen, vor allem auch die Freilassung der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. Beeindruckend, wie stramm die Europäer hinter ihren Werten und Prinzipien stehen. Rührend, wie sich die Kanzlerin um das Schicksal der Politikerin mit dem Rosenkranz sorgte. Komisch, dass die Ukraine am Ende trotzdem kniff. Warum eigentlich?

Klar, für den zuweilen etwas irrlichternden Präsidenten Viktor Janukowitsch war die Freilassung seine Erzfeindin Timoschenko ein Horrorszenario, das ihn Abstand zu Europa nehmen ließ. Allerdings begründete die Ukraine das Einfrieren der EU-Assoziierungsverhandlungen mit der wirtschaftlichen Schieflage des Landes. Premierminister Mykola Asarow, der sich im Interview mit der WirtschaftsWoche zuvor noch klar für die EU-Annäherung ausgesprochen hatte, sagt vor dem Parlament, man habe die Entscheidung „ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen getroffen“, sie sei von „taktischer Bedeutung“. Es sei für die Ukraine ein zu großer wirtschaftlicher Schaden zu erwarten, wenn aufgrund des EU-Freihandels jener mit dem GUS-Raum aufgekündigt werde. „Wer entschädigt uns für diese riesigen Verluste?“, fragte Asarow rhetorisch.

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