EU-Gipfel Merkel wünscht sich Klärung des Verhältnisses mit der Türkei

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Die EU steht vor einem Dilemma

Ein Ende der Verhandlungen könnte weitreichende Konsequenzen haben. Selbst wenn die Europäer später die Verhandlungen wieder aufnehmen wollten, bräuchten sie dann einen einstimmigen Beschluss. Nach dem Rechtsruck in Österreich bei der Wahl am vergangenen Sonntag ist der gerade ein wenig unwahrscheinlicher geworden.

Schlüsselstaat Türkei

Vielen Staats- und Regierungschefs geht es wie Macron, der daran erinnert, dass die Türkei „ein entscheidender Partner bei zahlreichen Krisen“ ist. Niemand möchte riskieren, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan  das Flüchtlingsabkommen aufkündigt. Deswegen wird die Türkei wohl auch weitere drei Milliarden Euro Unterstützung bekommen für die syrischen Flüchtlinge, die sie aufgenommen hat. An der zweiten Tranche für die Türkei will vorerst niemand rütteln. Im Gespräch ist dagegen, die Vorbeitrittshilfen von derzeit rund 600 Millionen Euro im Jahr zu kürzen. Allerdings würde sich dadurch de facto wenig ändern, denn im EU-Haushalt waren ohnehin zu wenig Mittel vorgesehen, um beides auszuzahlen. Das Einfrieren der Vorbeitrittshilfe hätte nach Einschätzung der EU-Kommission aber Signalwirkung, „wenn man einen Warnschuss feuern wollte“, wie es dort heißt.

Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis

Beim Abendessen soll auch das weitere Vorgehen bei der Zollunion besprochen werden. Die Kanzlerin hatte im August angekündigt, dass sie angesichts der aktuellen Lage in der Türkei nicht bereit sei, ein Mandat für Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion zu erteilen. Die über 20 Jahre alte Vereinbarung wäre dringend reformbedürftig, da sie beispielsweise keine Dienstleistungen umfasst und keinen Streitbeilegungsmechanismus. Wenn die Türkei einseitig Zölle anhebt wie sie das für Textilien getan hat, haben die Europäer keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Die europäische Wirtschaft würde von einer Reform der Zollunion profitieren. „Aber im Augenblick wäre es deplatziert, über eine Vertiefung zu sprechen“, sagt der Vorsitzende der CDU im Europäischen Parlament, Daniel Caspary. „Wir stecken in einem Dilemma.“ Das gilt für die gesamten Beziehungen der EU und der Türkei.

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