„In der Ökonomie hat das Subsidiaritätsprinzip einen hohen Stellenwert. Demnach sollte eher auf nationaler und regionaler Ebene Politik gemacht werden. Die Europäische Union sollte nur dann handeln, wenn es einen europäischen Mehrwert gibt“, sagt IW-Köln-Experte Busch. "Ich finde etwa, dass die EU Autobahnen und andere Infrastrukturnetze, die grenzüberschreitend sind, fördern sollte. In der Agrarpolitik oder der Kohäsionspolitik könnte hingegen meiner Meinung nach manches auch national erledigt werden."
Brüssel sieht das naturgemäß anders. Gut 380 Milliarden Euro will die Europäische Union zwischen 2014 und 2020 für die "Gemeinsame Agrarpolitik" ausgeben. Mit dem Geld soll die Landwirtschaft produktiver und grüner werden. Bauern werden dazu angehalten, "Flächennutzung im Umweltinteresse" zu betreiben, Pufferstreifen und Aufforstungsflächen anzulegen. Zweite Säule der Agrarpolitik ist es, die Lebensqualität in ländlichen Gebieten zu fördern und wirtschaftliche Unterschiede im Vergleich mit Städten und Metropolen auszugleichen. In den kommenden sieben Jahren sollen knapp 40 Prozent der Gesamtausgaben in die Landwirtschaft fließen, obwohl dieser Sektor nur noch 1,5 Prozent zum Bruttonationalprodukt der EU beiträgt. „Wir laufen Gefahr, dass wir im Jahr 2020 mit einer Haushaltsstruktur vom Beginn der Neunzigerjahre ankommen“, sagt der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments, der konservative Franzose Alain Lamassoure. „Der Haushalt könnte zum historischen Monument werden.“
Wer von der EU-Agrarpolitik profitiert – und wer nicht
Die Bundesrepublik gehört zu den neun EU-Mitgliedsstaaten, die einen größeren finanziellen Beitrag zur Agrarpolitik leistet, als sie an Rückflüsse für diese Politik erhalten. Für jeden Euro an Brüssel erhielt Berlin 2010 für die Agrarpolitik 0,62 Euro zurück.
Das Euro-Land ist der größte Leidtragende der EU-Agrarpolitik. Für jeden Euro, den die Nationalregierung in Brüssel an die Staatengemeinschaft zahlt, erhält sie nur 0,39 Euro zurück.
Das flächenmäßig größte Land Europas wies im Jahr 2010 einen ausgeglichenen Saldo aus. Für jeden Euro, der von Paris nach Brüssel floss, ging genau 1,00 Euro zurück. 2004 noch erhielt Frankreich 1,20 Euro zurück. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass es durch die Osterweiterung zu einer Umverteilung der Agrarausgaben hin zu den neuen Mitgliedsstaaten gekommen ist. „Dies sollte nicht ohne Einfluss auf die französischen Verhandlungsposition in Bezug auf die Agrarausgaben bleiben“, schreibt Berthold Busch vom IW Köln.
Die „grüne Insel“ profitiert kräftig von der Agrarpolitik der Europäischen Union. Für jeden Euro an Brüssel erhielt Irland 2010 für die Förderung der heimischen Landwirte 2,62 Euro zurück. Nur fünf osteuropäische Länder profitierten noch mehr von den Agrartöpfen.
Das baltische Land ist der größte Profiteur der Brüsseler Agrarpolitik. Für jeden Euro, den das Land für die Agrarpolitik der Europäischen Union zusteuert, fließen 4,38 Euro zurück.
Erstaunlich auch, dass EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy bei den Aufwendungen für Forschung sowie Energie- und Verkehrsprojekte rund 13 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. Dabei wäre es gerade hier wichtig, Europa fit für die Globalisierung zu machen. Schließlich sind insbesondere Länder in Südeuropa weit davon entfernt, eine zukunftsorientierte Wissensgesellschaft zu sein.
"Wir plädieren dafür, eher in den traditionellen Bereichen – also der Agrarpolitik und Regionalpolitik – zu sparen, aber nicht im Bereich der Forschung, Technologie und Infrastruktur", sagt auch Busch.