Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben heute 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei - und es werden monatlich mehr. Bei der Gipfelvorbereitung war lediglich davon die Rede gewesen, dass die Türkei Wirtschaftsflüchtlinge zurücknehmen könnte. Am Rande des Spitzentreffens berichteten Diplomaten nun, dass möglicherweise auch Syrer in die Türkei zurückgeschickt werden könnten.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Wegen Grenzkontrollen, unter anderem in Mazedonien, passierten zuletzt jedoch weniger Menschen diesen Weg. In Griechenland strandeten Zehntausende Menschen. Forderungen, die sogenannte Balkanroute für Flüchtlinge komplett zu schließen, sorgten auch beim Gipfel in Brüssel für Diskussionen.
Merkel sagte dazu: „Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird.“ Die CDU-Politikerin lehnte damit eine Formulierung in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels ab. Über sie sollte die Flüchtlingsroute über den westlichen Balkan für „geschlossen“ erklärt werden.
Länder an der Balkanroute verteidigten hingegen die Formulierung. „Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch“, sagte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, dessen Land zuletzt Obergrenzen für Flüchtlinge eingeführt hatte.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erklärte: „Die Grenzen müssen geschlossen werden.“ Niemand dürfe mehr ohne Erlaubnis und Registrierung durchkommen.
Mit Spannung wurde erwartet, ob sich einige EU-Staaten bereiterklären, der Türkei eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen abzunehmen. Ankara poche auf eine solche Kontingentlösung, hieß es von Diplomaten. Die türkische Regierung strebt auch an, dass die von der EU in Aussicht gestellte Visa-Liberalisierung für türkische Staatsbürger schneller kommt als zunächst geplant. Bisher hatte die EU geplant, vom Oktober an eine visafreie Einreise zu gestatten.
Belastet wurden die Verhandlungen zur Flüchtlingsfrage durch das Vorgehen der türkischen Justiz gegen die größte Oppositionszeitung „Zaman“. Sowohl türkische Oppositionspolitiker als auch Staats- und Regierungschefs warnten vor einem Verrat europäischer Prinzipien. „Es kann (...) nicht sein, dass wegen der Flüchtlingsfrage andere Werte, die für Europa wichtig sind, wie Pressefreiheit, einfach über Bord geworfen werden“, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel.
Die türkische Oppositionspartei HDP übte konkret Kritik an Kanzlerin Merkel. Seit es die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gebe, schweige die deutsche Regierung zu Menschenrechtsverletzungen und zum Druck auf die Medien, sagte der Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas.