EU-Gipfel zum Brexit Was passiert, wenn die Briten den Brexit nie einleiten?

Wir wollen raus aus der EU, sagt die britische Bevölkerung. Wir bleiben vorerst, erwidert die Regierung. Wie die EU-Chefs auf das Chaos in Großbritannien reagieren und warum Boris Johnson schon wieder Wahlkampf macht.

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Brexit und die EU: Cameron und Merkel Quelle: dpa Picture-Alliance

Wie sich eine EU ohne Großbritannien anfühlen wird? Die europäischen Staats- und Regierungschefs erfahren es in den nächsten 48 Stunden. Am Dienstag kommen die Vertreter aller 28 Mitgliedsländer in Brüssel zusammen, um darüber zu beraten, wie die Briten aus der EU ausscheiden sollen. Einen Tag später trifft sich die Runde erneut. Dann allerdings ohne David Cameron.

Noch im Wahlkampf hatte der amtierende Premierminister Großbritanniens versprochen: Wenn die britische Bevölkerung dafür stimmt, die EU zu verlassen, werde er am nächsten Tag den Austritt einleiten. Das Referendum ist rechtlich nicht bindend, es gibt keinen Automatismus. Die britische Regierung muss den geplanten Ausstieg laut Artikel 50 des Lissabonner Vertrages beim Europäischen Rat beantragen, jener Runde, die nun in Brüssel zusammenkommt. Erst danach können die Details über einen Zeitraum von zwei Jahren verhandelt werden.

Am Montag hatte Cameron im britischen Unterhaus seine Strategie, mit der er nach Brüssel fährt, vorgestellt. Die Rede dauerte nur wenige Minuten, denn Cameron fährt ohne ausgefeilten Plan – zumindest in Bezug auf den Brexit. So lange er im Amt ist – und Cameron will noch zwei bis drei Monate bleiben – möchte er die Austrittsverhandlungen nicht beginnen.

Für Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ergibt Camerons Zögern Sinn – zumindest aus britischer Perspektive. „Wenn Großbritannien Artikel 50 in Kraft setzt, läuft die Zeit runter. Die Briten sind dann in einer schwachen Verhandlungsposition, weil sie mit nichts glaubhaft drohen könnten.“

Bei unkontrolliertem Austritt droht eine Rezession

Wenn sich London und Brüssel innerhalb von zwei Jahren nicht einigen können, würde ein unkontrollierter Austritt der Briten drohen. Das Land wäre kein EU-Mitglied mehr und ein Drittstaat wie viele andere auch – ohne Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Für die britische Wirtschaft wäre das ein herber Schlag, eine Rezession wahrscheinlich.

Wie es nach dem Referendum weiter geht
Premierminister David Cameron Quelle: dpa
Artikel 50 Quelle: dpa
Der ungeregelte Austritt Quelle: dpa
Das Modell „Norwegen“: Quelle: dpa
Das Modell „Schweiz“: Quelle: dpa
Das Modell „Kanada“: Quelle: dpa
Das „WTO“-Modell Quelle: REUTERS

Ein solches Szenario wäre vor allem für die Briten schlimm – aber auch für Deutschland. Das Vereinigte Königreich ist immerhin der drittwichtigste Handelspartner der Bundesrepublik. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will zwar eine Hängepartie vermeiden, bis zum Herbst werde sie jedoch warten.

Über das Wochenende hatten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz zur Eile gemahnt. Cameron solle am Dienstag das Verfahren einleiten. „Die Wut in Brüssel auf die Briten ist groß“, sagt EU-Experte Ondarza. Die EU-Kommission habe zwar gewusst, dass ein Brexit möglich sei. „Aber psychologisch war sie nicht vorbereit.“

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