EU-Kommission Rechnungsprüfer nehmen lasche EU-Defizitkontrollen ins Visier

Die Kontrolle der nationalen Haushaltsdefizite soll eigentlich Finanzstabilität in der EU garantieren. Laut dem Europäischen Rechnungshof geht die EU-Kommission dabei jedoch eher nachlässig vor.

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Der Europäische Rechnungshof hat die Defizitkontrollen in der EU als lax und widersprüchlich kritisiert und damit einen Streit mit der EU-Kommission entfacht. Quelle: dpa

Der Europäische Rechnungshof hat die Defizitkontrollen in der EU als lax und widersprüchlich kritisiert und damit einen Streit mit der EU-Kommission entfacht. Die Kommission wende die bestehenden Regeln nicht konsequent an, erklärte der zuständige Prüfer Milan Martin Cvikl am Dienstag in Brüssel. Zudem sei das Verfahren intransparent. Die Brüsseler Behörde wies das zurück.

Die Kontrollen sind entscheidend für die Einhaltung der Stabilitätsregeln im gemeinsamen Währungsraum und der EU insgesamt. Die sogenannten Maastricht-Kriterien schreiben den EU-Staaten vor, dass die staatliche Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten darf. Die Gesamt-Staatsschulden müssen auf 60 Prozent des BIP begrenzt werden.

Die EU-Kommission müsse bei der Anwendung der Regeln strenger vorgehen, sagte Cvikl weiter. „Sie hat keine ausreichenden Kenntnisse des Geschehens vor Ort und wendet die Vorschriften nicht einheitlich an.“ Die Behörde müsse von den EU-Staaten mehr belastbare Daten sammeln und sich zudem mehr auf Strukturreformen konzentrieren, die letztlich eine Einhaltung der Defizitkriterien erleichterten. Die Rechnungsprüfer bescheinigten der EU-Kommission jedoch, in den vergangenen Jahren bereits einige Fortschritte erzielt zu haben.

In den vergangenen Jahren haben etliche EU-Staaten die Defizitregeln gebrochen, einige fast schon routinemäßig. Am Dienstag kündigte etwa Spanien an, das vereinbarte Ziel erneut zu verfehlen. Die Neuverschuldung werde 2016 voraussichtlich bei 3,6 Prozent des BIP liegen, hieß es von der Regierung in Madrid.

Hält ein Land die Kriterien nicht ein, sind innerhalb der Eurozone theoretisch hohe Strafen möglich. In der Praxis wurden diese bislang jedoch noch nie verhängt. Die EU-Kommission setzt vielmehr auf politischen Druck und Überzeugungsarbeit.

Hohe Staatsschulden in einigen Staaten, etwa auch in Griechenland, hatten die Eurozone in den vergangenen Jahren an den Rand des Zusammenbruchs geführt. Derzeit führt Brüssel gegen neun EU-Länder Verfahren wegen übermäßiger Neuverschuldung.

Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, die Behörde nehme die Arbeit der Rechnungsprüfer „sehr ernst“. Allerdings spiegele deren veröffentlichte Pressemitteilung nicht angemessen den Inhalt des gesamten Berichts wider. Dieser bescheinige etwa, dass das Defizitverfahren in der EU in den vergangenen Jahren notwendige Veränderungen erfahren habe. Kritik an Mitteilungen anderer EU-Institutionen ist in Brüssel unüblich.

Der Rechnungshof überprüfte, wie die EU-Kommission zwischen 2008 und 2015 in Haushalts-Defizitverfahren gegen sechs EU-Staaten agiert hatte. Betroffen waren Deutschland, Frankreich, Italien, Malta, Tschechien und Zypern.

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