Die EU-Finanzminister sind nach dem Brexit-Votum uneins über eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. „Einige Minister haben Zweifel geäußert, ob es dafür die richtige Zeit ist“, sagte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir nach einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Freitag in Bratislava.
Die Minister diskutierten unter anderem über die Möglichkeit eines umstrittenen Euro-Krisenfonds. In diesen könnten Staaten einzahlen. Die Eurozone insgesamt als auch einzelne Staaten wären dann besser für „regnerische Tage“ gewappnet, hieß es in einem Diskussionspapier der slowakischen Ratspräsidentschaft. Das Land hat derzeit den Vorsitz unter den EU-Staaten inne.
Er glaube nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für einen solchen Fonds wäre, sagte etwa der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. „Denn erstens haben wir jetzt keine Krise. Und zweitens sind ausreichend Geldmittel dotiert, zum Beispiel im ESM.“ Es bestehe auch die Gefahr, dass ein derartiger Fonds zweckentfremdet werde.
Die wichtigsten Antworten im Poker um neue Griechenlandhilfen
Die Ressortchefs wollen griechische Spar- und Reformschritte bewerten. Wenn die - seit Monaten verzögerte - Überprüfung des im vergangenen Jahr gestarteten Hilfsprogrammes abgeschlossen wird, ist der Weg für weitere Milliardenhilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM geebnet.
Eher gut. Ein ganz wichtiger Punkt sind die griechischen Reformbemühungen, vor allem im Renten- und Sozialsystem. Am Sonntag verabschiedete das Parlament in Athen ein weiteres Sparpaket. Darin sind Steuererhöhungen vorgesehen, Tanken, Rauchen und Telefonieren etwa dürften in Zukunft deutlich teurer werden. Die Maßnahmen sollen rund 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Das Parlament beschloss außerdem eine insbesondere vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderte Schuldenbremse. Diese soll greifen, falls Griechenland Sparziele nicht erfüllt. Sie ist notwendig, weil der Weltwährungsfonds die Budgetaussichten des Landes deutlich pessimistischer einschätzt als die europäischen Partner.
Er rechnet mit einer Einigung der Geldgeber über die Freigabe weiterer Griechenland-Hilfen. „Wir kriegen das hin, wir sind auf gutem Weg“, hatte der CDU-Politiker am Samstag in Japan gesagt. „Ob wir am Dienstag fertig werden, weiß ich nicht“, schränkte er jedoch ein.
Allein im Juli muss Griechenland zusammen 3,67 Milliarden Euro an den IWF, die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger zurückzahlen. Das Geld fehlt aber zur Zeit in den Staatskassen. In der Debatte ist ein hoher Auszahlungsbetrag in der Spanne von neun bis elf Milliarden Euro. Das dritte Rettungsprogramm hat insgesamt einen Umfang von bis zu 86 Milliarden Euro.
Ja. Selbst nach einer Einigung zwischen den Eurostaaten und Griechenland dürften noch einige Wochen vergehen, bevor Geld nach Athen fließen kann. In einigen Ländern des gemeinsamen Währungsraums, unter anderem in Deutschland, müssen nationale Parlamente vor einer endgültigen Entscheidung noch zustimmen.
Die Euro-Minister legten zum ersten Mal einen Zeitplan vor. Das reicht dem IWF aber offenkundig nicht aus. Es sickerte ein weitgehender Plan durch, wonach die Europäer Zinsen und Rückzahlungen bis 2040 aufschieben sollten. Das Thema ist politisch extrem kompliziert, zumal Schäuble mehrfach sagte, Schuldenmaßnahmen seien für die nächsten Jahre gar nicht nötig.
Bisher nicht. Vor allem Deutschland pocht auf eine Beteiligung des Fonds. Ob es rasche Bewegung geben wird, ist offen. Die eloquente IWF-Chefin Christine Lagarde ist verhindert und wird bei der Eurogruppe gar nicht am Tisch sitzen.
Dem slowakischen Vorstoß zufolge wäre ein solcher Mechanismus als „Puffer“ nützlich, um die Stabilität der Eurozone zu erhöhen und Marktpanik in Krisenfällen zu verhindern. Als Kriterium für Auszahlungen könne etwa hohe Arbeitslosigkeit in einem Land gelten. Die Gelder könnten etwa an Haushalts-Disziplin geknüpft werden. „Wir wissen, dass dies ein heikles Thema ist“, sagte Kazimir.
In Folge der Finanzkrise von 2008 hatten die 19 Staaten der Eurozone verschiedene Maßnahmen zur Stärkung des gemeinsamen Währungsgebiets unternommen. Aus einigen Staaten, darunter Deutschland, gab es allerdings Widerstand gegen Regelungen, die in Zahlungen finanzstärkerer Länder an wirtschaftlich schwächere münden würden.
Bei dem Treffen drängten zudem die Euro-Finanzminister das hoch verschuldete Griechenland für die Auszahlung neuer Hilfskredite zu raschen Reformen. Das Land müsse die erforderlichen Maßnahmen schneller umsetzen, sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. „Im Laufe des Sommers ist zu wenig geschehen.“
Die internationalen Geldgeber hatten sich im Mai grundsätzlich darauf verständigt, Griechenland 10,3 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Eine Tranche in Höhe von 7,5 Milliarden Euro wurde bereits im Juni ausgezahlt, weitere 2,8 Milliarden Euro sollten im Herbst folgen. Das Land muss dafür bis Ende September jedoch noch Reformen umsetzen. Insgesamt ist in dem im vergangenen Jahr mühsam ausgehandelten Hilfsprogramm ein Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro vorgesehen.
„Jetzt ist der Druck wieder da“, sagte Dijsselbloem weiter. Zu den noch offenen Spar- und Reformmaßnahmen gehören demnach unter anderem weitere Privatisierungen und ein Umbau des griechischen Energiesektors. Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos habe aber zugesagt, dass die entsprechenden Schritte bis Ende des Monats vollzogen würden, sagte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. In der kommenden Woche sollten zudem Vertreter der Geldgeber-Institutionen zu weiteren Gesprächen nach Athen reisen, sagte er.
„Es ist ja nicht neu, dass wir bei Griechenland die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen immer erst in der Endphase der vereinbarten Zeit erleben“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Es bleibe aber auch noch etwas Zeit.
Griechenland hängt seit 2010 am Tropf internationaler Geldgeber und war 2015 akut von einem Ausschluss aus der Eurozone bedroht. Über einen „Grexit“ wird aber nicht mehr gesprochen.