Euro-Krise Europas Aufschwung ist mehr Schein als Sein

Seite 6/6

Auch die Kernländer der Eurozone kämpfen mit Problemen

Friedensnobelpreisträger Al Gore beklagt Fehler in der Euro-Politik und kritisiert die NSA. In der Klimapolitik lobt er Deutschland als Vorbild. Dennoch ist er in zwei Punkten anderer Meinung als Kanzlerin Merkel.
von Tim Rahmann

Finnland gehört zur Minderheit der EU-Länder, gegen die derzeit kein Defizitverfahren läuft. Rosig präsentiert sich die Wirtschaft im einstigen Musterland dennoch nicht. Das Land wird die Rezession nur langsam hinter sich lassen. Für das Gesamtjahr 2014 erwartet die EU-Kommission ein BIP-Plus von nur 0,2 Prozent. Erst im kommenden Jahr könnte das Wachstum auf 1,0 Prozent anziehen.

Finnland hat ein Problem mit seiner Wettbewerbsfähigkeit. Seit dem Jahr 2000, aber ganz besonders seit der Finanzkrise 2009 haben finnische Exporteure massiv an Marktanteilen verloren. Dass sich der Trend nun verlangsamt, gibt zwar etwas Anlass zur Hoffnung. Ein anderer Faktor könnte aber viel schwerer wiegen: Finnland hat sich bisher schwergetan, auf asiatische Märkte vorzudringen, und hängt stark von seinem Nachbarn Russland als Abnehmer ab. Der könnte nun jedoch ausfallen, sollte sich die Situation in der Ukraine weiter zuspitzen und die EU Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen. Dass die Binnennachfrage rasch anspringt, ist unwahrscheinlich. Die Beschäftigung dürfte in diesem Jahr um 0,2 Prozent fallen, nachdem sie schon im Vorjahr um 1,3 Prozent zurückgegangen war.

Der Arbeitsmarkt ist auch eine der großen Schwachstellen in Belgien, wo die Arbeitsanreize sehr schwach sind, weil Arbeitslosengeld unbefristet fließt. Daran dürfte sich so schnell nichts ändern. Am 25. Mai wählen die Belgier eine neue Regierung, und bis sich Partner für eine neue Koalition finden, könnte es dauern. Mit einer Staatsschuld von voraussichtlich 101,7 Prozent des BIPs in diesem Jahr gehört Belgien zu den hoch verschuldeten Ländern der Euro-Zone. Allerdings halten vor allem Inländer die Anleihen. Das schützt die Regierung vor Stimmungsumschwüngen an den globalen Finanzmärkten. Auch die langen Laufzeiten der Staatsanleihen sorgen für eine gewisse Stabilität.

Beim Nachbarn Niederlande zeichnet sich nach dem unerwarteten Rücksetzer im ersten Quartal im weiteren Jahresverlauf eine gewisse Erholung ab. Die hat das Land nach einer geplatzten Immobilienblase auch nötig. Für das gesamte Jahr 2014 sagt die EU-Kommission ein BIP-Plus von 1,2 Prozent voraus, für das kommende Jahr 1,4 Prozent. Finanzminister Jeroen Dijsselbloem gibt allerdings noch keine Entwarnung: „Wir müssen dafür sorgen, dass sich die vorsichtige wirtschaftliche Erholung weiter verstärkt.“ Vor allem am Arbeitsmarkt sei die Trendwende noch nicht erreicht. Für 2014 erwartet die EU-Kommission eine weitere leichte Abnahme der Beschäftigung. Dijsselbloem, gleichzeitig Vorsitzender der Euro-Gruppe, mahnt seine Landsleute zudem zur Sparsamkeit. „Wir geben weiter mehr Geld aus, als hereinkommt.“ Mit 2,8 Prozent vom BIP dürfte das Defizit in diesem Jahr höher ausfallen als 2013.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%