Dass in Finnland längst nicht alles rosig ist, zeigt Nokia. Der größte und bekannteste finnische Konzern befindet sich im freien Fall, in Russland wie in Europa und Nordamerika. 38,6 Prozent aller verkauften Mobiltelefone zwischen Moskau und Jakutsk kommen aus Finnland. Tendenz: stark rückgängig. Noch ist Nokia Marktführer in Russland. Doch der Vorsprung auf Samsung ist nur noch minimal. Und: Wie überall auf der Welt verkauft Nokia auch in Russland kaum teure Geräte, die hohe Margen bringen.
Die Folge: Das Unternehmen schreibt tiefrote Zahlen. Der Umsatz des Konzerns brach im zweiten Quartal auf Jahressicht um 19 Prozent auf gut 7,5 Milliarden Euro ein. Unter dem Strich machten die Finnen von April bis Juni weitere 1,4 Milliarden Euro Verlust.
Der Niedergang Nokias ist für Finnland mehr als eine Fußnote. Nokia ist – ähnlich wie die deutschen Traditionsmarken Opel oder Quelle – ein Symbol, dessen Niedergang im ganzen Land verfolgt wird. "Der Abstieg Nokias wird mit großer Sorge betrachtet. Der Konzern verkauft keine teuren Produkte, sondern eher Billig-Telefone. Das kann sich ein Hochlohn-Land wie Finnland nicht erlauben", sagt Torsten Pauly. Die Verunsicherung ist groß, dass Nokia mehr als nur ein Einzelfall ist.
Wer den Markt der Smartphones regiert
Platz 1: Mit einem Marktanteil von 18,4 Prozent führte Apple im zweiten Quartal des Jahres den Smartphone-Markt an. Insgesamt 20, 34 Millionen Smartphones lieferte der Hersteller in diesem Zeitraum an den weltweiten Handel. Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von über neun Prozent. Verglichen mit dem Vorjahr konnte Apple damit sogar eine Steigerung von über 140 Prozent erzielen.
Platz 2: Direkt hinter Apple reiht sich der südkoreanische Rivale Samsung mit einem Marktanteil von 17,8 Prozent ein. Insgesamt 19,6 Millionen Smartphones brachten die Koreaner im zweiten Quartal in den weltweiten Handel. Damit hat sich der Hersteller selbst übertroffen: Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von fast 56 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr ist das sogar eine 600-prozentige Steigerung.
Platz 3: Mit einem Marktanteil von 15,1 Prozent hat es Nokia trotz der Verluste bei den Smartphones im zweiten Quartal noch unter die drei Besten geschafft. 16,7 Millionen Modelle lieferte der Hersteller aus - das sind 31 Prozent weniger als noch im ersten Quartal.
Platz 4: Ebenfalls Verluste machte RIM im zweiten Quartal des Jahres. Mit 13,2 Millionen ausgelieferten Smartphones erreichte der Hersteller einen Marktanteil von 12 Prozent, musste im Vergleich zum Quartal zuvor aber einen Rückgang von fast 11 Prozent in Kauf nehmen.
Platz 5: Der Marktanteil der HTC-Smartphones lag im zweiten Quartal bei 10,8 Prozent. Insgesamt fast 12 Millionen Modelle brachte der Hersteller in den Handel und steigerte damit sein Ergebnis aus dem Quartal zuvor um fast 25 Prozent.
Platz 6: Motorola-Smartphones erreichten im zweiten Quartal einen Marktanteil von 4 Prozent. 4,4 Millionen Modelle brachte der Hersteller in diesem Zeitraum in den weltweiten Handel und steigerte sein Ergebnis aus dem ersten Quartal damit um mehr als sieben Prozent.
Platz 7: Der japanische Elektronikkonzern Sharp hat mit 1,48 Millionen ausgelieferten Smartphones im zweiten Quartal einen Marktanteil von 6,8 Prozent erreicht. Im Vergleich zum ersten Quartal konnte der Konzern sein Ergebnis um 1,3 Prozent steigern.
Unter ferner liefen: Alle anderen, weniger nennenswerten Hersteller machten im zweiten Quartal mit rund 22,7 Millionen ausgelieferten Smartphones zusammengenommen einen Marktanteil von 20,6 Prozent aus. Im Vergleich zum Quartal zuvor entspricht das einer Steigerung von fast 31 Prozent. Betrachtet man den gesamten Markt, so wurden im zweiten Quartal weltweit über 1,1 Milliarden Smartphones der verschiedenen Hersteller ausgeliefert. Im Vergleich zum ersten Quartal entspricht das einer Steigerung von 7,5 Prozent, im Vergleich zum Vorjahr ist es sogar eine Steigerung um rund 82 Prozent.
Die Handy-Produktion ist längst weggezogen, erst nach Osteuropa, nun weiter Richtung Asien. Nicht nur, dass Jobs am Stammsitz von Nokia wegfallen. Auch viele Zulieferer leiden unter der Nokia-Krise. "Vor allen in der kleinen Stadt Espoo, unweit von Helsinki, in der auch der Hauptsitz von Nokia liegt, sind viele Mittelständler unter starkem Druck. Denn Nokia spart nicht nur bei sich selbst und streicht Stellen, sondern spart auch bei den Zulieferern", so Pauly.
Dass der Konzern zurück zur alten Stärke findet, glaube in Helsinki kaum noch jemand. Dabei wäre es wichtig für die finnische Wirtschaft. Pauly erklärt: "Erstmals seit 1990 hat Finnland ein Handelsbilanzdefizit. Das basiert vor allem auf dem Einbruch des Exports elektronischer Erzeugnisse. 2006 betrug deren Anteil am finnischen Export rund 17 Prozent. Inzwischen ist der Wert auf unter fünf Prozent gesunken."
Die Holz- und Papierindustrie steckt im Umbruch
Wie Nokia kämpfen viele finnische Firmen mit den Herausforderungen des digitalen Wandels und der Globalisierung. Einigen gelingt das gut: So wie die Maschinenbauer Wärtsilä oder Kone, die auch vom starken Wachstum in den Schwellenländern profitieren. Andere tun sich schwer: So wie die Holz- und Papierindustrie, der bedeutendste Zweig des Sekundärsektors. Dank seiner riesigen Wälder und der vorhandenen Verarbeitungskapazitäten ist die Holz- und Papierindustrie der bedeutendste Zweig des Sekundärsektors. Aber die Branche ist um Umbruch – und sehr konjunkturabhängig.
"Für die Zukunft des Landes ist es wichtig, dass Finnland Innovationskraft hat. Die Wirtschaft muss High-Tech-Produkte für den Export entwickeln. Nur so kann das Land seinen Wohlstand halten", sagt Pauly. Aber wie stehen die Chancen, dass Helsinki auch in 20 Jahren erfolgreich ist?