Euro-Krise Die Unabhängigkeit der EZB ist reine Fiktion

Seite 5/5

Politik fordert effektives Staatsschulden-Management

Die zehn größten Euro-Lügen
Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dpa
Giorgios Papandreou Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dapd
Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Angela Merkel mit Draghi Quelle: dapd
Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Die Folgen der politischen Verstrickung der Fed sind verheerend. Sie hat in den vergangenen 25 Jahren vor allem Fehlinvestitionen finanziert und einen Konsum, der vom Leistungsvermögen der US-Wirtschaft nicht gedeckt war. Sie hat kleine Krisen daran gehindert, ihre bereinigende Wirkung entfalten zu lassen – und mit billigem Geld die Grundlage für die nächste, größere Krise gelegt. Den Ausbruch der Finanzkrise stellt man sich daher am besten als Kulminationspunkt einer Wellenbewegung vor: Als Lehman Brothers am 15. September 2008 Insolvenz anmeldete, hatten sich viele kleine Finanzmarktkrisenwogen, aufgepeitscht durch die Fed-Politik des billigen Geldes, zu einem Brecher aufgetürmt, der völlig unkontrolliert die Wirtschaftswelt überspülte. Die Fed hat seit dem Crash des Aktienmarktes 1987 ständig versucht, die Folgen konjunktureller Einbrüche zu lindern – und mit ihrer lockeren Geldpolitik die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sie sich in der jeweils folgenden Krise immer lockerer machen musste. Das Platzen der japanischen Hauspreisblase (1991), die Asienkrise (1997), das Ende des Internet-Hypes (2001) – jede Krisenintervention erforderte zur Vermeidung eines Abschwungs beim nächsten Mal eine stärkere Intervention.

Am Ende der Billiggeld-Spirale aber stehen nicht nur Nullzinsen, Schuldenberge, Inflationsgefahren, sondern auch eine verwüstete Wirtschafts- und Vermögenslandschaft: Wenn Geld nichts kostet, werden zu viele Konsumkredite vergeben. Das hemmt ein gesundes Sparverhalten der Bürger. Das hält Staaten davon ab, ihre Haushalte zu sanieren. Das bläht die Bilanzen der Banken. Das schmälert die Renteneinkommen der Versicherten. Das ermuntert Versicherer, sich in spekulativen Geschäften zu versuchen. Das deroutiert die Finanzmärkte... – und weil die Zinsen am Ende dieser Verhängniskette nicht unter null fallen können, muss die lockere Geldpolitik schließlich aller Fesseln entledigt werden: mit dem Ankauf von Staatsanleihen.

Und genau das ist der Punkt, an dem die Unabhängigkeit der Notenbanken von der Politik mit ihrer Abhängigkeit konvergiert – und die letzten Schamgrenzen fallen. Es ist der Punkt, an dem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der sich immer geweigert hat, „Staatsverschuldung mit der Notenpresse zu finanzieren“, EZB-Chef Mario Draghi einen „großen Europäer“ nennt – weil endlich auch der Notenbanker (der Notenbanker!) begreift, dass man heute die Idee Europa aufwertet, indem man den Euro abwertet.

Die Folge ist, dass sich die Notenbanken damit zu Abteilungen der Finanzministerien degradieren – ganz so, wie es im Absolutismus gang und gäbe war, als die Könige nach Belieben Geld druckten und damit ihre Volkswirtschaften verheerten. Dass dies keine journalistische Zuspitzung ist, zeigt das Beispiel USA: Dort treibt man die Politisierung der Notenbanken ins Extrem. Die Demokraten von Präsident Barack Obama überdrehen die Billiggeld-Spirale ein weiteres Mal, obwohl sie längst nicht mehr zieht – und die Republikaner um Kandidat Mitt Romney vollführen einen tollkühnen dialektischen Purzelbaum, indem sie die Politisierung der Fed, einmal eingestanden, mit der Kontrolle durch das Parlament vollenden wollen – gerade so, als könne man die Symptome der Pest mit der Pest selbst bekämpfen.

Romney sieht sich hier offenbar in der Tradition von Richard Nixon. Der sagte bereits 1970: „Ich respektiere die Unabhängigkeit der Notenbank. Ich hoffe aber, dass diese Unabhängigkeit dazu führt, dass sich die Fed nach meinen Ansichten richtet.“ Heute hofft die Politik nicht mehr auf die Notenbanken. Heute weist sie sie einfach an.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%