Euro-Krise Draghi schanzt Krisenländern billige Kredite zu

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Vergabe neuer Kredite stockt

Von der angekündigten großen Inflation ist jedoch bis dato nichts zu sehen. Manche Mahner von einst haben daher eine 180-Grad-Wende vollzogen. „Inflation gibt es nur noch in den Geschichtsbüchern“, sagt Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Vor einigen Jahren hatte der Hamburger Ökonom noch vor Inflationsraten über fünf Prozent gewarnt. „Die EZB alleine kann nicht Inflation erzeugen“, sagt Straubhaar nun. Erst wenn die Geschäftsbanken das Geld der Zentralbank nutzen, um damit Kredite zu vergeben, komme der Stein ins Rollen. „Dann kann Inflation entstehen“, so Straubhaar.

Derzeit ist eine neue Kreditbonanza aber nicht zu erkennen. Vor allem die Banken in den Krisenländern der Euro-Zone halten sich mit der Vergabe neuer Kredite zurück. Im September lagen die Ausleihungen an private Haushalte und Unternehmen um rund zwei Prozent unter Vorjahr. Die für die Preisentwicklung relevante Geldmenge M3 (sie umfasst Bargeld, Sichteinlagen, Termineinlagen, Anteile an Geldmarktfonds sowie Bankschuldverschreibungen) kommt nicht in Schwung. Im September legte sie nur um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Vielen Banken mangelt es an Eigenkapital, mit dem sie Kredite unterlegen müssen. Zudem fragen die Bürger und Unternehmen in den Südländern wegen ihrer noch immer hohen Schulden und der schwachen Konjunktur kaum Kredite nach. „In Südeuropa ist der Sicherheitspuffer gegen eine Deflation gefährlich dünn geworden“, warnt daher Straubhaar.

Wofür die Deutschen bei der Euro-Rettung haften

Tatsächlich sanken die Lebenshaltungspreise in Spanien im Oktober zum Vorjahr um 0,1 Prozent, in Griechenland gingen die Preise sogar um zwei Prozent zurück. Doch was auf den ersten Blick nach Deflation riecht, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als eine heilsame Korrektur. Denn hinter dem Absacken der Teuerungsrate stecken neben den gefallenen Preisen für Energie insbesondere die gesunkenen Lohnstückkosten in vielen Krisenländern. Seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise haben die Peripheriestaaten mit Ausnahme Italiens ihre Lohnstückkosten nach Berechnungen der Commerzbank um insgesamt acht Prozent gesenkt. Das habe den Unternehmen Spielraum verschafft, die Preise zu senken, nachdem diese in den Jahren vor Ausbruch der Staatsschuldenkrise zu stark gestiegen waren, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Die Rückgewinnung preislicher Wettbewerbsfähigkeit hat nichts mit Deflation zu tun und ist uneingeschränkt zu begrüßen“, urteilt Krämer.

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