Wahr ist, dass Slowenien den Arbeitsmarkt und das Rentensystem dringend reformieren muss. Der Kündigungsschutz muss gelockert werden und Arbeitszeiten müssen – gerade in der Krise – flexibler gestaltet werden. Und: Slowenien erlaubt es sich, seine Bürger schon mit 58 Jahren in den Ruhestand zu schicken, viele gehen bereits mit 57 Jahren. Kein anderes Industrieland hat ein derart geringes, offizielles Renteneintrittsalter.
Wer in Europa wann in Rente geht
Der neue französische Präsident François Hollande hat die Rentenreform seines Vorgängers aufgeweicht. Personen mit langer Erwerbsbiografie können künftig wieder mit 60 Jahren in Rente gehen. Für alle anderen Arbeitnehmer gilt das bei der Rentenreform 2010 festgelegte Renteneintrittsalter von 62 Jahren. Das offizielle Einstiegsalter liegt bisher bei 61,5 Jahren – faktisch mit durchschnittlich 58,8 Jahren aber deutlich früher. Sechs von zehn Franzosen sind ohne Arbeit, wenn sie die Rente beantragen. Die Zeit bis zur Auszahlung der ersten Pension, die im Schnitt bei 1400 Euro pro Monat liegt, wird oft mit Arbeitslosengeld überbrückt. Frankreich gibt 280 Milliarden Euro pro Jahr für Renten aus, etwa ein Viertel der Staatsausgaben. Das Rentensystem habe ein Loch von 32 Milliarden Euro.
Bis zum Ende der Dekade soll das Rentenalter auf 66 und später auf 67 Jahre erhöht werden. Mehr als 800.000 Menschen werden 2012 die Altersgrenze von 65 erreichen, aber nur eine Rente von wöchentlich 102,25 Pfund (148 Euro) beziehen. Das kostet rund 129 Milliarden Pfund – oder 18 Prozent des Staatshaushalts. Die Staatsrente soll in absehbarer Zeit in eine Bürgerrente von rund 140 Pfund pro Woche verwandelt werden – nur eine homöopathische Aufbesserung. Deshalb dürfen britische Rentner weiter arbeiten und verdienen, so viel sie wollen, um die magere Rente aufzubessern.
In Griechenland beträgt das Renteneintrittsalter rein statistisch mittlerweile 65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen. Das Renteneintrittsalter der Männer liegt damit im Moment etwas niedriger als in Deutschland, das der Frauen deutlich niedriger. Tatsächlich aber verlassen die Männer in Griechenland mit durchschnittlich 61,9 Jahren den Arbeitsmarkt, die Frauen im Durchschnitt mit 59,6 Jahren.
Aktuell arbeitet die Regierung an einem neuen Sparpaket. Ein Punkt: Das Rentenalter soll von 65 auf 67 Jahre stufenweise angehoben werden. Die Sozialisten sollen aber nur für eine Erhöhung auf 66 Jahre sein. Zudem sollen Renten bei 2200 Euro gedeckelt werden. Die kleine Rente, die Bauern erhalten, soll von 360 Euro auf 330 Euro gekürzt werden, weil die Landwirtschaftsversicherungskasse (OGA) schwer defizitär ist. Auch andere Renten sollen, soweit sie 1000 Euro übersteigen, um 5 bis 15 Prozent gekürzt werden.
In frühern Zeiten war die Rente in Italien die wichtigste soziale Absicherung: Wer über 35 Jahre hinweg Beiträge bezahlt, bzw. gearbeitet hatte, konnte bereit ab 58 Jahren Rente beziehen. Italienische Frauen verbringen inzwischen durchschnittlich 27,3 Jahre im Ruhestand, Männer knapp 23. Das ist Weltspitze.
Das Rentenalter wird nun drastisch angehoben. Spätestens im Jahr 2018 sollen Männer wie Frauen bis 66 Jahren arbeiten, um Rente zu kriegen. Für die Jahre 2012 und 2013 wird für die meisten Renten der Inflationsausgleich gestrichen. Die neue Regelung erhöht auch die Anzahl an Beitragsjahren: Künftig muss man mindestens 42 Jahre lang einbezahlt haben, um sich für die volle Rente zu qualifizieren.
Die Portugiesen arbeiten im Durchschnitt länger als sie müssten. Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt hier bei 65 Jahren – für Männer und Frauen. Tatsächlich aber verlassen die Menschen in Portugal den Arbeitsmarkt viel später als die Deutschen: Männer mit 67 Jahren und Frauen mit 63,6 Jahren. Das Land hat zudem bereits massive Rentenreformen hinter sich.
Das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt bei 65 Jahren für Männer und bei 60 Jahren für Frauen. Tatsächlich ziehen sich Österreicher aber mit durchschnittlich 58 Jahren aus dem Beruf zurück. Die Bahner der staatlichen ÖBB verlassen Lokomotive und Büro sogar mit durchschnittlich 53 Jahren. Die Regierung spricht regelmäßig davon, dass die Österreicher später in Rente gehen sollen. Nach Angaben des Wiener Finanzministeriums ließe sich jährlich eine Milliarde Euro sparen, wenn das Renteneintrittsalter um ein Jahr steigt.
Seit 2012 an steigt das gesetzliche Renteneintrittsalter für die abschlagfreie Rente schrittweise auf 67 Jahre. Die Umstellung beginnt mit dem Geburtsjahrgang 1947, der bis zur vollen Rente einen Monat länger arbeiten soll. Der Geburtsjahrgang 1964 ist dann der erste Jahrgang, für den das neue Rentenalter 67 gilt. Die 2012 beginnende Anhebung vollzieht sich bis 2023 (Geburtsjahrgang 1958) in Monatsschritten, danach bis 2029 in Zwei-Monatsschritten.
Ausnahmen: Wer 45 Jahre Beiträge bezahlt hat, soll mit 65 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Bei den Beitragszeiten zählt Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes mit. Allerdings kommt derzeit nur der kleinere Teil der Beschäftigten auf 45 Beitragsjahre: Bei den Männern waren es zuletzt 28 Prozent, bei den Frauen knapp vier Prozent.
Die Isländer arbeiten im Durchschnitt deutlich länger als jede andere europäische Nation. Das Renteneintrittsalter liegt für Männer und Frauen bei 67 Jahren. Doch die Männer arbeiten im Durchschnitt freiwillig noch deutlich länger - im Schnitt bis sie knapp 70 Jahre alt sind (69,7 Jahre). Isländerinnen gehen im Durchschnitt mit 65,4 Jahren in den wohl verdienten Ruhestand. Im OECD-Vergleich arbeiten nur die Koreaner (70,3 Jahre) und Mexikaner länger (72,2 Jahre).
Mehrere Regierungen versuchten schon eine schrittweise Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 65 Jahre. Doch bisher sind noch alle Reformversuche – und gleichzeitig ganze Regierungen – an dem Widerstand der "Demokratischen Rentnerpartei Sloweniens" (DeSUS) gescheitert. Sie ist sehr populär und die einzige Konstante im politischen System. Die Rentnerpartei ist seit Jahren an allen Regierungskoalitionen beteiligt – auch an der derzeitigen Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Janša, die aus fünf Parteien besteht.
"Es wäre gescheit, wenn wir eine Technokraten-Regierung wie in Italien bekommen würden. Wir brauchen Leute, die es verstehen, ein Unternehmen oder einen Staat ausgabenseitig zu stabilisieren und einnahmenseitig zu sanieren", sagt Schuster. Das Wohle des Landes müsse wieder an erster Stelle stehen, nicht die Situation der Partei. Mit einer neuen Führung sollte das Land dann unter den Euro-Rettungsschirm flüchten, schlägt Schuster vor – erkennt aber an, dass seine Vorschläge derzeit nicht mehrheitsfähig sind. "Slowenien ist ein stolzes Volk und versucht, die Krise zu ignorieren. Doch mit dieser Einstellung wird sich nichts ändern."
Das Fazit des Beraters und Ex-Bankers fällt dementsprechend bitter aus: "Ich sehe nicht, dass Slowenien zeitnah aus der Krise kommt. Die Bürger resignieren, Unternehmer wandern ab und die Politik beschränkt sich auf Grabenkämpfe", so Schuster. Slowenien steht sich im Winter 2012 selbst im Weg.