Euro-Rettungsschirm-Chef Klaus Regling „Mehr Europa kann nicht die Antwort sein“

Als Chef des Euro-Rettungsfonds ESM wacht Klaus Regling über Milliarden. Im Interview erklärt er, warum er nicht sicher ist, ob es wirklich einen Brexit geben wird – und bremst Pläne für eine größere Euro-Zone.

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ESM-Chef Klaus Regling Quelle: dpa Picture-Alliance

Aus dem Fenster seines nüchternen Büros im Luxemburger Verwaltungsviertel Kirchberg blick er auf ein Einkaufszentrum. Die Summen, die dort umgesetzt werden, sind Peanuts, verglichen mit den Beträgen, mit denen Klaus Regling hantiert. Gerade war der Chef des europäischen Rettungsschirms (ESM) in Griechenland und brachte 7,5 Milliarden Euro mit – die jüngste Tranche aus dem Hilfsprogramm. Weil der ESM ein großes Interesse hat, dass die Griechen das Geld zurückzahlen, nimmt er seit Kurzem an der Überwachung der Reformpolitik des Landes teil.

Regling, von Mitarbeitern wegen seiner Unaufgeregtheit geschätzt, begleitet den Euro seit seinen Anfängen. Unter dem Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hat er den Stabilitätspakt mitentworfen. Als Spitzenbeamter in der EU-Kommission verantwortete er dessen Reform, in der Kritiker eine Aufweichung sehen. Rettungspolitik lernte der Volkswirt schon in seinem ersten Job beim Internationalen Währungsfonds in Washington kennen. Auch die Finanzmärkte kennt Regling aus eigener Anschauung. Zwei Jahre verbrachte er beim Londoner Hedgefonds Moore Capital Strategy Group. Nun verwaltet er die 500 Milliarden Euro, die der ESM maximal zur Rettung von Euro-Ländern bereithält.

Zur Person

WirtschaftsWoche: Herr Regling, die Briten haben sich mehrheitlich gegen den EU-Verbleib ausgesprochen. Was bedeutet ein Brexit für den Euro?

Klaus Regling: Schauen wir mal, ob der Brexit überhaupt kommt. Wir stehen erst am Anfang eines sehr langen Prozesses, viel kann noch passieren. Die Abstimmung in Großbritannien war vor allem von Emotionen geprägt. Vielleicht ist in dieser Frage das letzte Wort noch nicht gesprochen.

So oder so – Europa steht wieder vor einer längeren Phase der Unsicherheit. Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Es wäre hilfreich, schnell Klarheit zu haben, was in den kommenden Monaten auf der politischen Ebene passieren soll. Der Absturz des Pfund auf den niedrigsten Stand seit 31 Jahren bringt den Export in ganz Europa durcheinander, auch im Euro-Raum. Die Ausschläge auf den Aktienmärkten, die wir weltweit als Folge des Referendums sehen, können natürlich Auswirkungen auf die Währungszone haben. Diese halten sich zwar bislang in Grenzen, doch ein Land wie Irland, dessen Exporte zum großen Teil nach Großbritannien gehen, ist stark betroffen.

Investoren betrachten Länder am Rande der Euro-Zone, etwa Spanien oder Portugal, wieder mit Skepsis. Die Zinsen auf Staatsanleihen sind nach dem Brexit-Referendum gestiegen. Beunruhigt Sie das?

Das einzige Land, das mir Sorge macht, ist Portugal – und das ganz unabhängig vom Brexit. Dort hat die Regierung Reformen zurückgedreht. Wie auch die europäischen Institutionen jüngst nach ihrer Länderüberprüfung festgestellt haben, macht das das Land wieder weniger wettbewerbsfähig. Dabei war dort genau fehlende Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Ursache der Krise. Nun haben die portugiesischen Politiker den Mindestlohn und die Gehälter im öffentlichen Dienst angehoben und die Arbeitszeit wieder verkürzt. Außerdem könnte es neue Haushaltsrisiken geben, wenn die Regierung die Probleme im Bankensektor mit staatlicher Beihilfe löst. Man muss also sehr aufpassen, was passiert.

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