Europa Wie Italien jede Krise übersteht - bis jetzt

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Keine Aufstiegschancen

Violantes Ergebnis: In Italien ist nichts im Fluss, es gibt so gut wie keine Aufstiegsgeschichten. Italiens Eltern sind so wohlhabend, wie ihre Kinder nicht werden. Kaum ein junger Italiener schafft es, sich im Vergleich zu den Eltern zu verbessern. Jüngere Italiener lernen so von Beginn an, sich vor allem auf die eigene Familie zu verlassen – sie haben schlicht keine andere Möglichkeit.

Das gilt nicht nur im Privaten. So versuchte Italien sein Bankenproblem zu lösen, indem es alle Banken zur Einzahlung in einen Rettungsfonds zwang. Ergebnis: Statt marode Banken zu retten, schwächte der Zwangsfonds die solventen. Allerdings half das Prinzip, sich durchzumogeln. Und als die Fluglinie Alitalia vor wenigen Wochen Insolvenz anmeldete, sollten lieber die beiden Banken Intesa Sanpaolo und UniCredit die Linie übernehmen und harte Schnitte abwenden. Erst im letzten Moment schafften sie den Absprung. Nun bürgt der Staat, der Flugbetrieb geht weiter, das Thema ist vergessen.

Das Ende der Glückssträhne?

Und doch könnte Italien nun an seine Grenzen stoßen. Denn bisher rettete die Geldpolitik von EZB-Präsident Mario Draghi das Land. Die Schuldenlast ist tragbar, weil Italien sich zu Minizinsen verschulden kann. Doch nun ist eine Zinswende absehbar. Was aber, wenn die Zinslast steigt? Italien hat nur eine Chance auf Abbau der Schulden, wenn es hohe Überschüsse im Haushalt erzielt oder den Zins der Anleihen unter der Wachstumsrate des BIPs hält. Beides unrealistisch.

Der in London lehrende Ökonom Paul De Grauwe konstatierte jüngst: „Der Pessimismus in Italien ist riesig. Die stecken in einem Desaster.“ Allerdings betonte De Grauwe auch: Er sehe Deutschland als gleich großes Problem. Eine Währungsunion, in der Italien auf laxe Geldpolitik und Deutschland auf harte Austerität poche, sei an ihre Grenzen gelangt. Entweder, so sehen sie es auch in Italien, die Deutschen bewegen sich auch mal, oder es gibt den großen Bruch.

Finanzminister Padoan hat sich eine Strategie erdacht, wie er das Dilemma auflösen will. Schmaler Pfad hat er sie genannt. Inhalt: Haushaltsdisziplin und Strukturreformen auf italienischer Seite, Anpassung der Rahmenbedingungen im Euro auf der anderen Seite. Das Konzept wirkt stimmig. Die Frage ist nur: Bleibt Padoan lange genug Finanzminister, um das voranzutreiben?

Die Stimmung vieler Italiener tendiert derzeit dazu, nicht erneut eine Mitte-links-Regierung zu wählen. Stattdessen hat der 80-jährige Schmuddel-Zampano Silvio Berlusconi mit seinem Rechtsbündnis Aufwind. Der hatte sich eigentlich schon in den Ruhestand zurückgezogen. Doch nun wittert er neue Chancen. Dazu tragen auch Auftritte wie jene von Krisengewinnler Messina bei. Dienstag entsandte er zwei seiner besten Leute nach Venetien, um die dortigen Neuerwerbungen zu ordnen. „Wir werden dort ein starker Partner der Wirtschaft“, ließ er verlauten. Vielen Italienern stieß das sauer auf: Der Versuch läuft auf ihre Kosten.

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