Sobald man italienischer Regierungschef sei, berichtet Letta aus eigener Erfahrung, wollten alle nur Geld von einem. Nicht, dass Letta sich zu aktiven Zeiten allzu sehr dagegen gewehrt hätte. Dennoch fordert er fröhlich: „Als Politiker bist du erst stark, wenn du das Wort Nein gelernt hast.“ Das hat in der italienischen Politik kaum jemand. Nun ist das keine Eigenart Italiens, dort aber besonders ausgeprägt. So sehr, dass das ständige Versprechen unentwirrbare Interessenkonflikte produziert, die über allerlei Verwerfungen meist in Neuwahlen münden.
Das hat zwei Vorteile für Italiens Politiker: Man kann ständig alles Mögliche versprechen, ohne je zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und es herrscht permanent Wahlkampf, mittlerweile seit fünf Jahren. Der lässt sich nutzen, um den Euro-Partnern Kompromisse abzuringen. Immer mit der Drohung, bekomme man seinen Willen nicht, würden den jeweils gerade laufenden Wahlkampf eben Radikale gewinnen. „Da heißt es dann, wir müssen helfen, weil sonst Beppe Grillo an die Macht kommt“, sagt ein hoher EU-Beamter.
Gerade ist mal wieder so eine Übergangszeit, in der sich eine Mitte-links-Regierung zu Wahlen, die im Frühjahr 2018 stattfinden müssen, aber auch jederzeit vorher stattfinden könnten, durchhangeln muss. Und das ohne echte eigene Mehrheit.
Dieses Chaos bremst die positiven Ansätze im Land, von denen es einige gibt: Dieses Jahr wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut IWF um 1,3 Prozent, und gerade im Norden des Landes schafft eine global wettbewerbsfähige Unternehmenslandschaft Arbeitsplätze und Rekordexporte. Doch all das fruchtet kaum, weil die Ansätze politisch flankiert werden müssten.
Das zeigt sich nirgends so deutlich wie an Finanzminister Pier Carlo Padoan. Der Mann hat Ordnung in den Haushalt gebracht, das Haushaltsdefizit lag 2016 mit 2,4 Prozent vom BIP unter der Maastricht-Vorgabe. Doch nun, wo man beginnen könnte, die Verschuldung von mehr als zwei Billionen Euro (133 Prozent des BIPs) abzubauen, hat er wegen der Neuwahlen kaum Handlungsspielraum. Wenn Wachstum und Inflation auf heutigem Niveau bleiben, könnte Italien die Schuldenquote in zehn Jahren auf 100 Prozent reduzieren. Ohne Führung aber ist das schwierig.
2. Reformieren heißt nicht ändern
So ploppt auch die Bankenkrise immer wieder auf, weil der Finanzminister angesichts der kurzen politischen Zyklen kaum systematisch durchgreifen kann und es eher bei Reformen mit begrenzten Folgen bleibt. Ständig steht irgendeine Wahl an, wegen der marode Banken, nicht geschlossen werden dürfen. Italienische Banken haben zwar anders als deutsche nicht weltweit gezockt, leiden aber wegen ihrer Abhängigkeit vom Geschäft mit Unternehmensfinanzierungen unter notleidenden Krediten. Weil die Wirtschaft lahmt, fallen viele Kredite aus. Weil aber viele Kredite ausfallen, können die Banken keine neuen vergeben, weswegen die Investitionen auf Rekordtief sind.
Zwar sind mit den beiden nun durch Intesa Sanpaolo übernommenen Volksbanken und der Sieneser Monte dei Paschi, die vom Staat gerettet wurde, die akuten Problemfälle gelöst, die strukturellen aber kaum. Noch immer ist die Branche zu kleinteilig und zu sehr mit der Politik verwachsen.
Krisengewinnler Messina ist optimistisch: „Durch die jetzige Rettung ist das Risiko, das vom System ausgeht, deutlich kleiner geworden“, sagt er. Man habe nun zum Rest Europas aufgeschlossen. In der Tat hat auch andere Banker neuer Optimismus erfasst. Zum einen, weil man ganz gut davongekommen ist, dank eines staatlichen Rettungspakets von 20 Milliarden Euro in diesem Jahr. Aber auch, weil kleinere Besserungen absehbar sind. So sinkt die Summe fauler Kredite. Allein den Wert der schlechtesten bauten die Banken seit Januar von 87 auf 77 Milliarden Euro ab.