Europäische Union Wie die Briten den „dirty Brexit“ verhindern wollen

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Die Briten wollen Freihandel mit der EU, die EU bremst

Zweitens: Die Briten wollen weiterhin Handel mit den Europäern treiben und möglichst wenig ökonomische Nachteile erleiden.

Die Norweger beispielsweise sind nicht in der EU, zahlen aber in den EU-Haushalt ein und haben Zugang zum Binnenmarkt. Im Gegenzug müssen sie unter anderem die Personenfreizügigkeit akzeptieren. Die Briten lehnen das ab und wollen die Zuwanderung begrenzen.

Eine Art EU-Mitgliedschaft zweiter Klasse wird es also nicht geben. May hatte dieses Modell in ihre Brexit-Rede Anfang des Jahres ausgeschlossen.

Vielmehr strebt May ein Freihandelsabkommen mit der EU an. Der britische Brexit-Minister David Davis spricht von einem „free-trade, friction-free open agreement“. Doch um das Grundproblem kommen die Briten nicht herum: Je enger sie mit dem europäischen Binnenmarkt verwoben sein wollen, desto mehr Regeln aus Brüssel müssten sie akzeptieren. Und der Faktor Zeit spielt gegen das Vereinigte Königreich, wie Josef Janning vom „European Council on Foreign Relations“ erklärt. „Für die Briten gehört ein mögliches Freihandelsabkommen zu den Brexit-Verhandlungen dazu, für die EU nicht“, sagt der Politikwissenschaftler. In Brüssel rechnen viele damit, dass ein Freihandelsabkommen nicht bis März 2019 fertig verhandelt werden kann.

In der Vergangenheit hatte May gesagt, kein Deal sei besser als ein schlechter Deal. Damit will sie gegenüber ihrer Bevölkerung Stärke demonstrieren. Doch würde dies bedeuten, dass EU und UK künftig dann nach den Regeln der Welthandelsorganisation Geschäfte machen müssten – inklusive von Zöllen und Handelshemmnissen also.

Was wollen die Europäer erreichen?

Die verbleibenden 27 EU-Staaten haben zwei Interessen.

Erstens: Sie wollen die Prinzipien der EU erhalten – allen voran die sogenannten vier Freiheiten, also die Freiheit des Warenverkehrs, der Arbeitskräfte, der Dienstleistungen und des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Hier tritt die Staatengemeinschaft bislang erstaunlich geschlossen auf. Alle Versuche der Briten, einen Keil zwischen die Europäer zu treiben, waren bislang erfolglos.

Zweitens: Sie wollen Europa zukunftsfest machen. Die Idee von einem Europa der zwei Geschwindigkeiten wird derzeit wieder stärker diskutiert. „Einzelne Staaten müssen jetzt voran gehen oder die Union wickelt sich ab“, sagt EU-Experte Janning. Viele Kontinentaleuropäer wollen den Brexit nun zu einer Chance umdeuten. Die Botschaft: Man muss nicht die EU verlassen, wenn man mit Brüssel nicht einverstanden ist. „Mehr Integration“ kann künftig auch eine Sache von wenigen sein.

Welcher Verhandlungspunkt wird kritisch?

Das künftige Freihandelsabkommen. Anders als die Briten wollen sich die Europäer damit Zeit lassen und ein mögliches Abkommen nicht überstürzen. Zumal die Briten erwägen, die Steuern in Großbritannien radikal zu senken, um so für Investoren und Unternehmen attraktiv zu bleiben. Sollte das Vereinigte Königreich diesen Steuerwettbewerb wagen, könnten die anderen EU-Staaten gereizt reagieren, glaubt Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Briten und Europäer sind künftig Konkurrenten. Das bedeutet eher Konfrontation statt Kooperation.“ Wenn die Briten aus EU-Sicht also falsche Reformen einleiten, könnten die sich revanchieren und das Freihandelsabkommen verzögern. Das wäre allerdings schädlich – für die Briten und die EU.

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