Europäische Union Diese Staaten wollen noch in die EU

Die Briten könnten die EU verlassen, die Schweiz wollte mal rein, zog ihr Beitrittsgesuch nach einem Vierteljahrhundert nun aber endgültig zurück. Dennoch gibt es Staaten, die Mitglied werden möchten. Ein Überblick.

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Wer will überhaupt noch in die EU? Quelle: Marcel Stahn

Die Euphorie für Europa währte nur kurz. 1992 hatte die Schweiz die Mitgliedschaft zur damaligen Europäischen Gemeinschaft beantragt – und Beitrittsgespräche begonnen, die allerdings schnell abgebrochen wurden. Stattdessen setzten die Politiker auf bilaterale Verträge. In diesem Zustand blieben die Beziehungen bis vergangene Woche: Kurz vor der Abstimmung über den Verbleib der Briten hat nach dem Schweizer Nationalrat nun auch der Ständerat mit deutlicher Mehrheit dafür plädiert, das Beitrittsgesuch zurückzuziehen.

Für Christa Tobler, Europarechtlerin an der Universität Basel ist die schweizerische Entscheidung ein „Akt des Realismus“. Zuletzt hatten die Schweizer vor 15 Jahren über einen möglichen Beitritt abgestimmt, über 76 Prozent stimmten damals dagegen. Überraschend war, dass sich alle 26 Kantone gegen sofortige Beitrittsverhandlungen aussprachen.

„Die Mehrheit des Stimmvolkes wollte noch nie in die EU“, sagt Tobler. Die Eidgenossenschaft will dennoch mit der EU kooperieren: Mittlerweile gibt es über zehn Verträge, unter anderem zum Freihandel und zur Personenfreizügigkeit.

Mitglied der Europäischen Union wird die Schweiz wohl aber nicht werden, anders als manche Beitrittskandidaten, mit denen die EU verhandelt - darunter Serbien und Montenegro sowie die Türkei.

Serbien: Schwierige Zusammenarbeit

„Ein Tag, an dem wir Geschichte schreiben“, sagte der serbische Ministerpräsident Aleksandar Vučić vergangenes Jahr als sein Land und die Europäische Union offiziell Beitrittsverhandlungen aufgenommen haben. Bis 2019 sollten alle Bedingungen für den Beitritt erfüllt sein. Die größen Hürden: Serbiens schwieriges Verhältnis zum Kosovo, aber auch die Nähe zu Russland. Die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland trägt das Land nicht mit.

Montenegro: Vorbildlicher Kandidat

Mit Montenegro, das 2006 von Serbien unabhängig wurde, führt die EU seit 2012 Beitrittsverhandlungen. 70 Prozent der Montenegriner sehen ihre Zukunft in der EU. Die Chancen stehen gut, denn Montenegro präsentiert sich als vorbildlicher Kandidat. Das Land hat eine Antikorruptionsbehörde eingerichtet, frühere Präsidenten und Vize-Parteichefs wurden bestraft. Brüssel ist mit den Fortschritten im Land zufrieden.

Neben Serbien und Montenegro wollen auch Albanien und Mazedonien EU-Mitglieder werden, Verhandlungen laufen aber noch nicht. Die EU pocht auf hohe Standards in den Bereichen Justiz, Grundrechte, Freiheit und Sicherheit, also Bereiche „in denen Fortschritte schwierig und langwierig sind, Erfolge ausbleiben“, sagt Sarah Wohlfeld, vom Alfred von Oppenheim-Zentrums für Europäische Zukunftsfragen.

Warum die Türkei unter Erdogan kein EU-Mitglied wird

„Alle Länder des Westlichen Balkans streben nach wie vor eine Vollmitgliedschaft in der EU an“, sagt Wohlfeld. Trotz ihrer aktuellen Krisen werde die EU in der Region immer noch mit wirtschaftlichem Aufschwung und Wohlstand gleichgesetzt und so erhoffen sich die Staaten daraus einen gesteigerten Handel, Direktinvestitionen und finanzielle EU-Unterstützungen – und damit einen wirtschaftlichen Sprung nach vorne. Dass diese Ziele und Wünsche nach wie vor in hohem Maße mit der EU verknüpft werden, liegt auch daran, dass die wirtschaftlich schwachen Staaten in der Region kaum eine Alternative haben: Auch wenn Russland, insbesondere in Serbien versucht, seinen Einfluss geltend zu machen, hat es dem Land ökonomisch kaum etwas zu bieten“, sagt Wohlfeld.

Türkei: Lichtjahre vom Beitritt entfernt

Die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union sind seit Jahren angespannt. Seit 2005 laufen zwar Beitrittsverhandlungen, das Land hat sich seitdem aber eher von der EU wegbewegt, auch wegen Angela Merkels „privilegierter Partnerschaft“, mit der die Bundeskanzlerin die Türkei über Jahre auf Abstand hielt.

Problematisch sind heute eine ganze Reihe von Punkten im Türkei-EU-Verhältnis: Ankara erkennt religiöse Gruppe nicht als Minderheiten an, verfolgt sie teilweise, die Meinungsfreiheit wird nicht geachtet, Proteste gewaltsam niedergeschlagen. All diese Punkte machen einen Beitritt zur Europäischen Union auf absehbare Zeit unmöglich. „Offiziell hält die Türkei am EU-Beitritt fest“, sagt Politikwissenschaftler Burak Çopur von der Universität Duisburg-Essen. „Eine auf Machtausgleich setzende EU wäre für Präsident Erdogans Großmachtfantasien aber ein Klotz am Bein", sagt der Türkei-Experte.

Im Zuge der Flüchtlingskrise sind die Türkei und EU zuletzt wieder särker zusammengerückt. Die Türkei verpflichtet sich, die nach Griechenland über die Ägäis kommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Die EU hingegen nimmt syrische Flüchtlinge aus der Türkei auf und überweist mehrere Milliarden Euro nach Ankara. Dennoch ist Politikwissenschaftler Burak Çopur überzeugt: „Es wird unter Erdogan keinen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union geben.“

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