Europäische Union Drei Gründe für den Brexit im Faktencheck

Großbritannien könnte leidige EU-Gesetze abschaffen und endlich die Einwanderung stoppen. Die Brexit-Befürworter versprechen den Briten eine neue Selbstbestimmung. Was taugen die Argumente? Der Faktencheck.

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Großbritannien: Warum die Befürworter einen Brexit fordern. Quelle: dpa, Montage

Wenn sich die Briten am 23. Juni dafür entscheiden sollten, die Europäische Union zu verlassen, passiert zunächst nichts. Zumindest passiert nicht das, was die Befürworter eines EU-Austritts, des sogenannten Brexit, sich erhoffen. Im Fall der Fälle bleibt Großbritannien wohl zwei weitere Jahre EU-Mitglied. So sieht es Artikel 50 des EU-Vertrages vor.

Innerhalb dieser beiden Jahre würde Großbritannien die Bedingungen des EU-Ausstiegs aushandeln. Das Land würde aus rund 50 EU-Freihandelsverträgen mit Drittstaaten fliegen – und müsste diese neu verhandeln. US-Präsident Barack Obama hatte bereits angekündigt, dass die Briten einige Zeit warten müssten. Zudem müsste London klären, wie das künftige Verhältnis zwischen EU und Großbritannien aussehen soll. Über Fragen dieser Art würde gesprochen werden, sie sind zumeist auch die Argumente der Brexit-Befürworter. Drei Versprechen, mit denen sie die Briten vom EU-Ausstieg überzeugen wollen, im Faktencheck:

1. Norwegen als Vorbild für Großbritannien

Für Nigel Farage, Chef der britischen Unabhängigkeitspartei Ukip, hat das „Modell Norwegen“ vor allem Vorteile. Wenn Großbritannien die EU verließe, könne sein Land weiterhin am Binnenmarkt partizipieren, wäre aber nicht an die EU-Gesetze gebunden – so der Gedanke. Vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, innere Sicherheit oder Justiz könnte das Vereinigte Königreich endlich wieder selbst die Regeln festlegen.

Die bekanntesten Brexit-Gegner und -Befürworter
 Christine Lagarde Quelle: dpa
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George Osborne Quelle: REUTERS
 Jean-Claude Juncker Quelle: REUTERS
Michael Gove Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: AP
Barack Obama Quelle: AP

Das ist vom Prinzip her zwar richtig. Allerdings nicht zu Ende gedacht, wie der "Economist" schon früh analysierte. Die Erfahrungen von Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, die in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) organisiert sind, zeigten, dass es möglich sei, Zugang zum Binnenmarkt zu erhalten – allerdings stets nach EU-Bedingungen.

Ökonom Christian Odendahl vom Center for European Reform in London glaubt, dass Großbritannien schlechter dastünde, wenn es den norwegischen Weg ginge. „Die Briten müssten sich europäischer Regulierung unterwerfen, in den EU-Haushalt einzahlen und Arbeitsnehmerfreizügigkeit akzeptieren, könnten aber nichts mitentscheiden", sagt Odendahl. Das würde die Bevölkerung nicht lange mitmachen, ist er überzeugt. „Das Norwegen-Modell ist für Großbritannien politisch undenkbar.“

Zweimal wollte Norwegen bereits Mitglied der Europäischen Union werden (1972 und 1994), zweimal entschied sich die Bevölkerung in Referenden dagegen. Dennoch ist das skandinavische Land eng mit der EU verbunden. Etwa 80 Prozent der norwegischen Exporte gehen an EU-Länder, ein Großteil des EU-Rechts gilt auch für Norwegen. Zudem zahlt das Land pro Jahr knapp 400 Millionen Euro in EU-Fonds ein. Für die Teilhabe am Binnenmarkt verlangt Brüssel also bestimmte Gesetzgebungen und Geld – auch von Nicht-EU-Mitgliedern.

2. Brüsseler Überregulierung zurückfahren

Wer mit Brexit-Befürwortern spricht, hört oft das Argument: Wir sind pro-europäisch, aber gegen Brüssel. Die Ablehnung der EU-Institutionen ist in Großbritannien stärker ausgeprägt als in den meisten anderen Ländern. Der Vorwurf: Die EU übertreibt es mit der Regulierung. Folglich ist das Argument, ein Brexit würde zu viel EU-Regulierung einen Riegel vorschieben, durchaus logisch.

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