Europäische Union Spaniens neuer Regierung droht kurze Lebensdauer

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Experten sind skeptisch

Wie zahlreiche andere Experten halten es deshalb auch die Analysten der Ratingagentur Fitch für unwahrscheinlich, dass die Regierung eine komplette Legislaturperiode Bestand haben wird. Keinesfalls aber sei mit weiteren substanziellen Strukturreformen zu rechnen wie während Rajoys erster Amtszeit. Fernando Vallespín, Politikwissenschaftler an der Madrider Universidad Autónoma erwartet eine „kurze und unheimlich konfliktreiche Legislatur“.

Die starke Nachfrage nach spanischen Staatsanleihen zu Beginn der Woche mochte noch darüber hinwegtäuschen. Die Rendite der zehnjährigen spanischen Bonds fiel in Folge der Vereidigung Rajoys um vier Basispunkte auf 1,18 Prozent.

Es wird schwierig werden. „Difícil“, wie der Premier selbst einräumt. Auch deshalb brach er mit einem ungeschriebenen Gesetz, wonach spanische Premiers jeweils am Tag nach ihrer Vereidigung das Team vorstellten, mit dem sie die nächsten vier Jahre arbeiten wollten. Nur einmal, 1993, brauchte der Sozialist Felipe González drei Tage.

Die größten Netto-Zahler der EU
Touristen in Helsinki Quelle: dapd
Eine Windkraftanlage nahe Dänemark Quelle: dapd
Der Wiener Opernball Quelle: dpa
Da Atomium in Belgien Quelle: REUTERS
Eine Mitarbeiterin in der Schwedischen Botschaft in Minsk Quelle: REUTERS
Frau Antje Quelle: AP
Das Colosseum Quelle: REUTERS

Die EU-Kommission verlangt für nächstens Jahr weitere Einsparungen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, um die Neuverschuldung unter das für die Euro-Länder verbindliche Limit von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

Rajoy zögert, Hand an die Mehrwertsteuer und die Einkommensteuer zu legen, obwohl dort in Spanien laut Brüssel und auch dem Internationalen Währungsfonds (IWF) noch Luft nach oben wäre. Steuererhöhungen, die die Mittelklasse treffen, sind mit den Ciudadanos-Verbündeten nicht zu machen. „Bei den Unternehmenssteuern hakt es am meisten“, meint Francisco de la Torre, steuerpolitischer Sprecher von Ciudadanos. „Wenn wir diese Lücke nicht schließen, kriegen wir keinen Haushalt für das nächste Jahr zusammen.“

2007, dem Jahr mit dem bisher stärksten Unternehmenssteueraufkommen in Spanien, überwiesen die Betriebe insgesamt 45 Milliarden Euro an die Staatskasse. Im ersten Halbjahr 2016 waren es dagegen nicht einmal 13 Milliarden Euro. Die Forderungen konzentrieren sich deshalb auf das Schließen von Schlupflöchern und die Streichung von Vergünstigungen.

Bei den Unternehmern geht bereits die Angst um. „Es besteht die Gefahr, dass man kurzfristig auf die einfachste Lösung zurückgreift und Steuern erhöht,“ schellt Javier Campo die Alarmglocke. Der Vorsitzende von AECOC, einem der größten spanischen Unternehmensverbände, warnt auch gleich vor den Konsequenzen: „Das wird negative Folgen für das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen haben.“

Auf den ersten Blick brummt Spaniens Wirtschaft. Auch im dritten Quartal war sie mit einem Plus von 0,7 Prozent das Zugpferd in der Euro-Zone. Doch die Schubkraft kam vor allem aus dem Tourismussektor. Spanien profitierte wie kein anderes Land von der Terrorangst, die Urlauber von den Küsten der Türkei, Nordafrikas und auch Frankreichs fern hielt. Noch immer sind rund 20 Prozent der Spanier arbeitslos, und zigtausende arbeiten für weniger als 1000 Euro im Monat und mit zeitlich befristeten Verträgen.

„Für die Unternehmen, die immerhin für die Schaffung von Arbeitsplätzen sorgen sollen, ist Verlässlichkeit ein entscheidender Faktor für künftige Planungen“, sagt Albert Peters, Vorsitzender des in Barcelona ansässigen Kreises deutschsprachiger Führungskräfte. „Nur so werden wieder die Investitionen nach Spanien fließen, die in den vergangenen Monaten ausgeblieben sind.“ Nach Berechnungen der Großbank BBVA betrug die Investitionslücke im ersten Halbjahr 2016 rund 8 Milliarden Euro. Das sind etwa 0,8 Prozent des spanischen BIP.

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