Europäische Zentralbank Mario Draghi knickt nicht ein

Der EZB-Chef verteidigt sich gegen seine Kritiker und plädiert für die Unabhängigkeit der Zentralbank. Das ist gut, hat aber einen bitteren Beigeschmack.

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Mario Draghi Quelle: REUTERS

Zugegeben, Mario Draghi sah schon mal erholter aus. Aber wie ein begossener Pudel, der vor lauter ihm entgegen schlagender Kritik kaum noch aus den Augen gucken kann, so wirkte der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) sicherlich nicht. Einiges hatte sich der Italiener in den vergangenen Wochen anhören müssen, vor allem deutsche Politiker äußerten heftige Kritik an der ultra-expansiven Geldpolitik der Zentralbank.

Am Donnerstag nach dem Zinsentscheid nutzte Draghi nun die Chance, seinen Kritikern öffentlich zu antworten. Er fand nicht nur einige treffende Argumente gegen seine Widersacher. Zugleich zeigte der EZB-Chef, dass er sich nicht beirren lässt und dass die Zeit der expansiven Geldpolitik noch lange nicht vorbei ist.

Das ist zwar ein klare Ansage, doch hat diese Haltung sowohl gute als auch schlechte Seiten.

Wie erwartet hatte der 25-köpfige EZB-Rat zunächst auf weitere Änderungen der Geldpolitik verzichtet. Der Leitzins blieb bei null Prozent, auch den Einlagezins, den Banken zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken, beließen die Zentralbanker bei minus 0,4 Prozent. Dieses Abwarten kommt wie erwartet, denn erst bei seiner Sitzung im März hatte der EZB-Rat einen ganzen Strauß an Maßnahmen beschlossen, von denen einige noch nicht mal gestartet wurden.

Geplant gekontert

Erwartungsgemäß hatte Mario Draghi seinen Konter gut vorbereitet. Das Mandat der EZB sei die Preisstabilität, betonte der Italiener. Nicht nur für Deutschland, sondern für die gesamte Euro-Zone. „Unsere Politik wirkt“, sagte Draghi sehr deutlich an die Adresse seiner Kritiker. Gewohnt akkurat zitierte er Studien und Zahlen. Ohne die Maßnahmen, welche die EZB seit 2014 ergriffen habe, so Draghi, wäre die Inflationsrate in diesem Jahr negativ und auch in den nächsten zwei Jahren um 0,5 Prozentpunkte niedriger.

Die EZB sei sehr wohl mit den Sorgen der deutschen Versicherer und Sparer um deren zinsbedingt dahinschmelzende Altersvorsorge vertraut. Aber es sei eben auch falsch, die niedrigen Zinsen für alles verantwortlich zu machen, was schief läuft. Insbesondere Versicherer verzeichneten durch die Anleihekäufe der EZB erhebliche Kapitalzuwächse, erklärte Draghi.

„Würde ein nicht-italienischer Zentralbank-Präsident eine andere Geldpolitik betreiben?“, fragte Draghi schon fast schelmisch an die Adresse der CSU, die zuletzt laut nach einem deutschen Draghi-Nachfolger gerufen hatte. Zum Beweis zitierte Draghi seinen Vorgänger, den Franzosen Jean-Claude Trichet: „Ich hätte dasselbe getan wie Mario“.

Das einzig wahre Argument

Mittlerweile hatte sich der EZB-Chef fast in Rage geredet. Es machte ihm zeitweise sichtlich Freude, die deutschen Angriffe abzuwehren, wohl wissend, dass er das schlagende Argument auf seiner Seite hatte.

„Wir sind unabhängig“, betonte Draghi mehrfach. Der Rat habe sich einstimmig für die Unabhängigkeit der Zentralbank starkgemacht. Kämen Zweifel an der Unabhängigkeit der EZB auf, hätte das einen Vertrauensverlust zur Folge, Marktteilnehmer könnten wichtige Investments verschieben.

Damit hat Mario Draghi recht und trifft den wunden Punkt der Berliner Kritik. Nicht umsonst hat Deutschland vehement dafür gekämpft, dass die EZB in ihren Statuten so unabhängig wird wie die Deutsche Bundesbank. Eine Zentralbank, die nur Marionette der Politik ist, wird auf Dauer nicht für stabile Preise sorgen können. Die deutschen Kritiker dagegen müssen aufpassen, sich nicht lächerlich zu machen, denn auch in Deutschland sieht es mit den von Draghi berechtigterweise eingeforderten Strukturreformen und Infrastrukturinvestments bisher mau aus.

Dass er unabhängig und standhaft ist, zeigte Mario Draghi dann einmal mehr. Zwar habe sich die Lage verbessert, insbesondere die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen in der Euro-Zone seien besser geworden. Trotzdem betonte Draghi, die Notenbank sei weiter jederzeit „handlungsbereit“ und werde im Zweifel alle Instrumente innerhalb ihres Mandates nutzen, um ihr Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent zu erreichen.

Zwar erteilte der EZB-Chef dem viel diskutierten Konzept des Helikoptergeldes eine Absage, trotzdem wurde deutlich, dass Draghi die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik schon mal einen Spalt geöffnet hat.

Der Notenbank-Chef betonte, die Zinsen würden noch über einen längeren Zeitraum niedrig bleiben. Zudem warnte Draghi schon mal präventiv, die Inflationsrate werde möglicherweise in den kommenden Monaten nochmals in den negativen Bereich rutschen. Zusammen mit den weiterhin sehr niedrigen Inflationserwartungen könnte das die EZB zu erneutem Handeln verleiten.

Dass Mario Draghi die Unabhängigkeit der EZB verteidigt ist gut und richtig. Trotzdem sollten die Währungshüter bei künftigen, unabhängigen Schritten überlegen, ob eine weitere Lockerung tatsächlich nötig ist. Denn wie Draghi selber sagt: die Politik wirkt ja bereits. Dann sollten wir ihr auch Zeit lassen, sich zu entfalten, und nicht mit weiteren Mitteln nachdopen.

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