Europäische Zentralbank Kann Weidmann EZB-Chef Draghi noch stoppen?

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Vergebliche Suche nach dem Kompromiss

Draghi glaubt, dass sich politische Prozesse kontrollieren lassen. Wenn die Regierungen nicht mehr können, springt die Notenbank ein, auch wenn das eigentlich so nicht vorgesehen war. Ist das Problem gelöst, zieht sie sich wieder zurück. Weidmann fürchtet, dass alles ins Rutschen gerät, wenn die Notenbank einmal nachgegeben hat. Deshalb bleibt er hart, auch wenn die Konsequenz daraus ist, dass Länder die Währungsunion verlassen müssen.

Wie viel Prinzipientreue verträgt Europa, und wie viel Pragmatismus erträgt es - das ist die Frage im Endspiel um den Euro.

Fieberhaft suchten die beiden am vorvergangenen Montag in einem Gespräch unter vier Augen nach einer Kompromisslinie - vergeblich. Drei Tage später versuchten mehrere Ratsmitglieder, Weidmann noch umzustimmen. Sie verwiesen darauf, dass auch die Bundesbank in den siebziger Jahren öffentliche Anleihen aufgekauft hatte - damals, um die Zinsen für die deutsche Wirtschaft zu senken. Draghis ursprünglicher Plan wurde sogar noch einmal abgeschwächt. Weidmann blieb bei seinem Nein.

Mario Draghi und Jens Weidmann haben sich geschworen, die Stabilität der Währungsunion zu erhalten. Weidmann meint damit vor allem die Stabilität der Währung, Draghi die Stabilität der Union. Beide werden sie ihre Anhänger enttäuschen müssen.

Ein Fall für zwei

Als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) ist Mario Draghi der oberste Währungshüter in Europa. Das bedeutet aber nicht, dass er allein das Sagen hätte. Alle wichtigen geldpolitischen Entscheidungen werden vom Zentralbankrat getroffen. Nötig ist dazu in der Regel eine einfache Mehrheit. Der Rat setzt sich aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums der EZB zusammen, dem aus Deutschland der frühere Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen angehört. Außerdem sind in ihm die 17 Präsidenten der nationalen Notenbanken der Euro-Staaten vertreten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat formal nur eine Stimme wie seine Kollegen aus Malta oder Österreich. Tatsächlich aber ist sein Einfluss als Chef der wichtigsten Notenbank größer.

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