„Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass UKIP und die AfD zusammenarbeiten. Sie haben sehr viel gemeinsam“, sagt auch der britische Politikwissenschaftler Nicholas Startin von der University of Bath, der seit Jahren verfolgt, wie sich die britischen Euro-Kritiker zu einer festen Größe im Parteienspektrum entwickelt haben. „Beide wollen die Zuwanderung um qualitative Kriterien erweitern, beide wollen die Rettungsschirme einstampfen, beide wollen die Entscheidungshoheit zurück in die Nationalstaaten holen“, zählt Startin die Schnittmengen auf.
Die zunehmende Macht Brüssels ist in der Tat eine der zentralen Sorgen, die die AfD-Mitglieder umtreibt. Auf dem Parteitag in Erfurt stand bei jedem Einzelthema – sei es bei der Einführung einer Frauenquote, mehr Volksentscheide in den EU-Staaten oder der Klimapolitik – die Frage im Zentrum, ob mit möglichen Beschlüssen nicht der Boden bereitet wird für einen europäischen Superstaat.
Beispiel Ausbau der Rechte des Europäischen Parlaments: Ist es sinnvoll, wie die Parteispitze vorschlug, dass das Europäische Parlament den Kommissionspräsident zu wählen hat – und dieser nicht wie bisher in einem intransparenten Verfahren von den Staats- und Regierungschefs der EU bestimmt wird? Hans-Olaf Henkel findet die Idee gut, der Vorschlag stärke die Demokratie. Parteifreund Joachim Starbatty widerspricht. „Ein vom Parlament gewählter Kommissionspräsident bekommt perspektivisch mehr Macht als bisher. Damit unterstützen wir den Superstaat“, so der berühmte Kläger gegen die Euro-Rettungspolitik. Die Basis stützte Starbatty, der Vorschlag ist vom Tisch. Die Angst vor mehr Macht für Brüssel, vor „mehr Europa“ war schlicht größer als das so oft propagierte Ziel der AfD, mehr Demokratie fördern zu wollen.
Skurriles vom Parteitag
Beim Bundesparteitag der AfD konnten sich die Parteimitglieder einbringen und Vorschläge unterbreiten. Viele machten von dem Recht Gebrauch und reichten Anträge ein. Ein Ergänzungsantrag zur Tagesordnung: "Wir sollten am Ende des Parteitages die Nationalhymne singen."
Die AfD soll sich nach dem Willen der Basis für die Abschaffung der Sommerzeit einsetzen. Die Antragsstellerin begründete, die Zeitumstellung schade der Gesundheit und führe zu vermehrten Unfällen im Straßenverkehr.
Mehrere Mitglieder kritisierten, dass die Einladungen zum Bundesparteitag elektronisch verschickt wurden. Nicht alle hätten schließlich ein eMail-Account, so ein AfD-Mitglied. Dies sei der Grund, warum nur 1054 Mitglieder nach Erfurt gekommen seien.
Von einer Partnerschaft könnten beide profitieren, glaubt Nicholas Startin. Schließlich sind beide Parteien schon heute eine relevante Größe. „UKIP hat die Unterstützung von zwei bis drei bedeutenden britischen Boulevardzeitungen“, unterstreicht der Politikwissenschaftler. Die Rechten seien stets ignoriert worden, nun würden sich Zeitungen wie „Daily Express“ und „Daily Mail“ regelrecht auf Auftritte und Aussagen von Nigel Farage stürzen. Im Windschatten von UKIP könnte auch die AfD noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, national und international.
Anders als Lucke & Co. sucht Farage den Schulterschluss mit anderen Gruppierungen. Mit den „Wahren Finnen“, der französischen Kleinpartei “MPF“ und der AfD möchte der Brite gerne zusammenarbeiten. Doch Farage weiß auch, dass er für die Spitze der AfD zumindest momentan nicht infrage kommt. Das liegt vor allem an seiner Extremforderung, Großbritannien solle aus der EU austreten. Und so versucht er den deutschen Eurokritikern eine Brücke zu den britischen EU-Feinden zu bauen. „Die Gruppen im Europäischen Parlament sind eine ziemlich unwichtige Sache“, erläutert Farage, „sie dienen eigentlich nur dazu, an die Fraktionsrechte heranzukommen.“ Zumindest für die Splittergruppen am rechten und linken Rand trifft das tatsächlich zu. Denn hier verbindet die Parteien wenig mehr als die Überzeugung, dass es ohnehin kein richtiges Leben im falschen Parlament geben kann. Sie brauchen die Fraktionen einzig, um Rederechte im Parlament zu erhalten und Sitze in Ausschüssen. Da schaut man nur grob, ob die Ideologie zusammenpasst: Kommunisten spielen nicht mit Piraten, Rechtsradikale nicht mit konservativen EU-Skeptikern. Gerade an der Grenze zwischen gewöhnlichen Liberalen und Christdemokraten und europakritischen Vertretern der gleichen Denkrichtung gibt es aber immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten.