Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Juncker im Wahlkampf als Spitzenkandidat unterstützt hatte, hatte nach dem EU-Gipfel vergangene Woche zunächst ihre Rückendeckung für den Luxemburger aufgeweicht und erklärt, alles sei möglich. Cameron ließ sich danach als Sieger im Personalpoker feiern. Merkel löste damit jedoch eine in der Europapolitik selten gekannte Medienwut in Deutschland aus, die in dem ARD-Kommentar gipfelte, Merkels Verhalten sei „selten dumm“.
Die „Bild“-Zeitung hatte kommentiert, wenn Juncker nicht Kommissionspräsident werde, mache Merkel die Demokratie zu einer „Farce“. Die großen Parteienfamilien in Europa waren zur Wahl erstmals mit Spitzenkandidaten angetreten und stellten damit den Kommissionspräsidenten dem Volk zur Wahl. Gleichwohl liegt das Vorschlagsrecht für die Spitzenpersonalie noch immer bei den 28 Staats- und Regierungschefs.
Für Cameron steht Juncker für die in Großbritannien unbeliebte Devise „Mehr Europa“. Der Premierminister befürchtet, dass die Anti-EU-Stimmung in seinem Land noch mehr anschwillt. Bei der Europawahl hatten fast 30 Prozent der Wähler in Großbritannien die EU-feindliche UKIP gewählt.
Cameron hat für 2017 ein Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der Union in Aussicht gestellt. Sollte Juncker Präsident der EU-Kommission werden, könnte der Druck auf der Insel so anschwellen, dass das Referendum vorgezogen werden müsste, zitiert das Nachrichtenmagazin den durch Camerons Äußerung entstandenen Eindruck. Dann sei ein Nein-Votum fast sicher. Cameron muss sich 2015 auch einer Parlamentswahl stellen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte unterdessen deutlich, Europas Spitzenpersonalien dürften nicht mit Zugeständnissen, etwa beim Euro-Stabilitätspakt, erkauft werden. „Das dürfen wir nicht miteinander verknüpfen“, sagte er dem Magazins „Focus“. Die Regeln in der Europäischen Union (EU) müssten eingehalten werden. „Sonst verspielen wir jegliches Vertrauen. Regeln machen nur Sinn, wenn sie unabhängig von den agierenden Politikern Bestand haben.“