Europawahl Was taugt der Wahl-O-Mat?

Die Online-Entscheidungshilfe zur Europawahl am 25. Mai ist wieder da. Was in diesem Jahr neu ist – und ob der Wahlhelfer Sinn ergibt.

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Der Wahl-O-Mat zur Europawahl 2014 fragt 38 Thesen ab. Quelle: Marcel Stahn

Die Deutschen lassen sich offenbar gerne von den Niederländern inspirieren. Zu den bisherigen Importen gehören fragwürdige TV-Formate wie „Big Brother“ oder „Adam sucht Eva – Gestrandet im Paradies“. Aber auch sinnvolle Dinge wie der Wahl-O-Mat.

Das Online-Tool, das Übereinstimmungen des Nutzers mit den politischen Parteien zählt, heißt im Niederländischen „StemWijzer“ und wurde 1989 zum ersten Mal veröffentlicht. Damals noch als Fragebogen auf Diskette und Papier.

Seit 2002 gibt es das deutsche Pendant, den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Insgesamt wurde er im Vorfeld von Wahlen bislang mehr als 39 Millionen Mal genutzt. Allein bei der Bundestagswahl 2013 zählten die Macher 13,3 Millionen Nutzungen.

Wer die Anwendung noch nicht kennt: Der Wahl-O-Mat ist ein Frage-und-Antwort-Werkzeug. Es zeigt, welche zu einer Wahl zugelassene Partei der eigenen politischen Position am nächsten steht. Der Nutzer kann dabei 38 Thesen zustimmen, sie ablehnen oder sich "neutral" äußern.

Alle Parteien wurden im Vorfeld gebeten, die Thesen ebenfalls zu bewerten und eine Begründung zu formulieren. Die eigenen Antworten werden mit denen der Parteien abgeglichen, der Grad der Übereinstimmung mit den ausgewählten Parteien errechnet.

Infos zum Wahl-O-Mat

Bei den Parteien ist die Beantwortung der Fragen Chefsache. Bei der CDU wie auch bei der SPD blickt der Parteivorstand auf die Antworten zu den Thesen. Fehler könnten wichtige Stimmen kosten – insbesondere bei den Jungwählern, die die Anwendung überproportional stark nutzen.

Mehr als ein Drittel (34,9 Prozent) der Wahl-O-Mat-Nutzer ist zwischen 18 und 29 Jahre alt, 43,8 Prozent sind zwischen 30 und 49 Jahre alt, hat Stefan Marschall festgestellt. Der Professor für Politikwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat das Tool in einer Studie zur Bundestagswahl 2009 unter die Lupe genommen.

Die meisten Nutzer wollen demnach überprüfen, ob ihre Wahlabsicht Sinn ergibt. „Bei einem Großteil der Nutzer ist das der Fall. Zumindest, wenn man in politischen Lagern denkt“, sagt Marschall. So hatten 28,1 Prozent der Nutzer des Wahl-O-Mat tatsächlich die meisten Übereinstimmungen mit der Partei, die im Vorfeld bereits präferiert wurde. Bei 63,5 Prozent der Nutzer gab es die größten Schnittmengen immerhin mit einer der Parteien aus dem jeweiligen Lager (etwa FDP bei bürgerlichen Wählern, Grüne bei SPD-Wählern, etc.). Nur bei 8,4 Prozent der User wich das Ergebnis deutlich von der eigentlichen Parteipräferenz ab.

Linkspartei-Wähler werden im Wahl-O-Mat überrascht

Wenn Europa wählt...
1053 Kandidaten für EuropaBei der Europawahl am 25. Mai 2014 bewerben sich insgesamt 1053 Kandidatinnen und Kandidaten um die der Bundesrepublik Deutschland zugewiesenen 96 Parlamentssitze. Einer von ihnen und gleichzeitig Spitzenkandidat für die CDU ist er ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister. Quelle: dpa
327 FrauenNicht mal ein Drittel von diesen 1053 Kandidaten, nämlich 327, sind Frauen. Eine von ihnen ist Ulrike Müller, Kandidatin für die Freien Wähler. Vor drei Wochen hat die Partei ihr Europawahlprogramm verabschiedet. Quelle: dpa
Appell des BundeswahlleitersDer Bundeswahlleiter Roderich Egeler rief alle Bürgerinnen und Bürger auf, an der Europawahl am 25. Mai 2014 teilzunehmen. Er betonte die besondere Bedeutung der Europawahl für die Einflussnahme der Bürgerinnen und Bürger auf politische Entscheidungen in der Europäischen Union. Quelle: dpa
24 Parteien treten anDie Wahl erfolgt als Verhältniswahl, das heißt, die Zahl der in Deutschland zu vergebenden Sitze wird ausschließlich aufgrund der auf die Listen der Parteien und sonstigen politischen Vereinigungen entfallenden Stimmanteile ermittelt. Bei der Europawahl 2014 treten insgesamt 25 Parteien (hier SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz) und sonstige politische Vereinigungen mit gemeinsamen Listen für alle Bundesländer beziehungsweise mit Listen für einzelne Länder an. Die Stimmzettel enthalten in jedem Bundesland 24 Wahlvorschläge. Quelle: dpa
Knackpunkt Wahlbeteiligung Bei der jüngsten Europawahl 2009 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei 43,3 Prozent und damit ganz knapp über dem EU-Durchschnitt (43,0 Prozent). Die niedrigste Wahlbeteiligung verzeichneten die Wahlen in der Slowakei mit nur 19,6 Prozent. Auf mehr Interesse war die Wahl dagegen in Dänemark gestoßen: 2009 wählten mit 59,5 Prozent sogar 11,7 Prozent mehr als bei der vorangegangenen Wahl. Nicht zuletzt deswegen setzen die Parteien auf bekannte Gesichter und länderübergreifend gemeinsame Kandidaten: Hier beglückwünscht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Spitzenkandidaten der konservativen Parteien in Europa, Jean-Claude Juncker. Quelle: dpa
430 DolmetscherAlle wollen ins Europaparlament, hier der Kampagnenplan für Martin Schulz. Im EU-Parlament kommen 24 Amtssprachen zum Einsatz. Jeder Abgeordnete kann sich aussuchen, in welcher der Amtssprachen er sich äußern möchte. Die parlamentarischen Unterlagen werden in allen Amtssprachen veröffentlicht. 430 verbeamtete Dolmetscher arbeiten beim EP, hinzu kommt eine Reserve von etwa 2500 externen Dolmetschern. Quelle: dpa
Wahlleiter wirbt für Info-BroschüreNähere Informationen zu den zugelassenen Wahlvorschlägen und den zur Wahl stehenden Bewerbern und deren Ersatzbewerbern gibt es in dem vom Wahlleiter präsentierten Sonderheft „Die Wahlbewerber für die Wahl zum Europäischen Parlament aus der Bundesrepublik Deutschland 2014“ (kostenloser Download ). Es beinhaltet unter anderem ein Namensverzeichnis sowie zusammenfassende Übersichten, etwa zum Frauenanteil, zum Alter und zu den Berufsgruppen der Kandidaten (hier der Grünen-Spitzenkandidat Sven Giegold). Quelle: dpa

Glaubt man den Zahlen der „German Longitudinal Election Study“ (GLES) war das insbesondere bei Anhängern der Grünen und der Linkspartei der Fall. Während sich CDU- und SPD-Wähler oft bestätigt sahen, merkten besonders viele Linken-Sympathisanten, dass die Forderungen der Partei gar nicht zu ihren persönlichen Einstellungen passen.

Mehr noch: Nur 65 Prozent der Nutzer, die der Linkspartei ihre Stimmen geben wollten, hatten die meisten Übereinstimmungen mit der Oppositionspartei.

Dennoch sollte das Tool nicht überschätzt werden. Nur die Wenigsten lassen sich von ihrer Wahlabsicht abbringen, Wahl-O-Mat-Ergebnis hin oder her.

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Wohl aber verstärkt das Tool die Bereitschaft, tatsächlich wählen zu gehen. 70,5 Prozent der von Politikwissenschaftler Stefan Marschall befragten Wahl-O-Mat-Nutzer gaben an, über ihr Ergebnis und den Urnengang im Freundes- und Bekanntenkreis sprechen zu wollen. Immerhin jeder Zwölfte Nutzer wurde nach eigenen Angaben motiviert, zur Wahl zu gehen – obwohl er es vorab nicht vorhatte.

Neu in diesem Jahr ist ein europaweiter Test. Nachdem deutsche Teilnehmer den Wahl-O-Mat gespielt haben, können sie mit einem weiteren Klick 15 der 38 Wahl-O-Mat Thesen mit den Positionen der Parteien in den 14 anderen EU-Ländern vergleichen.

Denn die Pendants zum deutschen Tool gibt es nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Lettland, Österreich, Polen, Slowakei, Spanien und Tschechien.

Keine Frage: Der Blick über den Tellerrand ist spannend. Doch was soll der Wähler davon halten, dass Schwesterparteien unterschiedliche Meinungen haben. Die Sozialisten in Frankreich sind beispielsweise deutlich offener für Gemeinschaftsanleihen in der Euro-Zone als die Genossen von der SPD? Solche Unterschiede könnten Verwirrung schaffen.

Andererseits ist Politik nun mal kompliziert, insbesondere im heterogenen Europa. Und das darf der Wähler ruhig wissen.

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