Wieso wird über eine Hebel-Funktion des Rettungsschirms gesprochen – und wie funktioniert die?
Derzeit haben Spanien und Italien kein Interesse an Rettungsaktionen des ESM. Das kann sich aber rasch ändern. Sollten die Unternehmen weiter schwächeln, die Haushaltseinnahmen schrumpfen und das Vertrauen der Investoren gering bleiben, könnten sich Rom und/ oder Madrid gezwungen sehen, doch Hilfe durch den ESM einzufordern. Um die dritt- (Italien) und viertgrößte Volkswirtschaft (Spanien) der Eurozone stützen zu können, würden die 700 Milliarden Euro des ESM kaum reichen.
Dem wollen die Euro-Retter mit dem „Hebel“ vorbeugen. Mit dem Instrument, das ursprünglich aus dem Finanzsektor kommt, wurde bereits der ESM-Vorgänger, der der befristeten Rettungsfonds EFSF, gestärkt. Zum Einsatz kam die Hebelfunktion aber nicht, da die Luxemburger Hilfseinrichtung keine Schuldtitel aufkaufte.
Mit Hilfe des „Hebels“ sollen private Gläubiger motiviert werden, sich an der Rettung kriselnder Euro-Länder zu beteiligen. Als Gegenleistung erhalten die Gläubiger eine Garantie für einen Teil ihrer Anlagen. Sprich: Bei einem Schuldenschnitt zahlen zunächst nicht die privaten Gläubiger, sondern der Rettungsschirm. Das Problem ist, dass für den ESM die Ausfallrate insgesamt steigt. Das Geld steht mehr im Risiko.
„Dadurch werden auch die Finanzierungskosten für die Euro-Retter steigen. Der ESM begibt ja bekanntlich Anleihen, mit denen er sich refinanziert. Wenn die Ausfallraten und die Garantiesummen aufgrund der Hebelfunktion steigen, wird sich das im Zins widerspiegeln – und im Rating“, erklärt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. „Ein Triple-A-Rating ist dann wohl nicht mehr möglich.“ An den Haftungsobergrenzen der Mitgliedstaaten ändert sich zunächst nichts. Ist das Geld verbrannt und werden neue Garantien verlangt, muss der Bundestag befragt werden.
Was passiert, wenn der ESM nicht ausreicht und im Bundestag keine Zustimmung für eine Aufstockung zu erreichen ist?
Dann könnte die Europäische Zentralbank (EZB) einspringen. Nach Einschätzung von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer könnten unter Schulden ächzende Euro-Staaten wegen der ESM-Stoppschilder aus Karlsruhe mehr Druck auf die EZB ausüben. Diese könnte im großem Stil Anleihen der Euro-Schuldenstaaten kaufen, die am Markt zu hohe Zinsen zahlen müssen. Aber nur auf dem Sekundärmarkt, also von Banken, nicht direkt von Staaten. "Die EZB dürfte einen größeren Beitrag für die Errichtung einer Haftungsunion leisten als der ESM", meint Krämer. Deutschland haftet bei der EZB mit 27 Prozent, über diesen Umweg könnten im schlimmsten Fall höhere Risiken als beim ESM drohen.