Langsam und leicht gebückt kommt Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), in die Splendens Hall im slowenischen Kranj nahe Ljubljana, wo die Sitzung des EZB-Rates stattfindet. Er haucht ein zurückhaltendes Hallo in die Runde. Seine Gesichtszüge sind wie festgefroren, er verzieht keine Miene. „Darf ich anfangen?“, fragt er schüchtern.
Was war da los mit Super Mario am Donnerstag vergangener Woche? Der sonst so selbstbewusste Italiener müsste eigentlich in Hochstimmung sein. Schließlich hat er ein großes Ziel erreicht und sich gegen Bundesbank-Präsident Jens Weidmann durchgesetzt. Um den Euro zu retten, hat die EZB ein unbegrenztes Anleihenkaufprogramm beschlossen. Draghi kann jetzt so viele Staatstitel überschuldeter Euro-Krisenländer kaufen, wie er will, und so deren Renditen drücken. Spanien und Italien könnten davon profitieren, wenn sie unter den Euro-Rettungsschirm ESM flüchten.
Doch Draghi ist nicht in Feierlaune. Aus Deutschland schlägt ihm schlechte Stimmung entgegen. Nicht einmal jeder Fünfte vertraut laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa dem Italiener. Der Grund: Die Deutschen fürchten, die Euro-Rettung teuer bezahlen zu müssen. Nicht nur, weil sie die größten Finanziers der Euro-Rettung sind, auch ihre Angst vor Inflation ist besonders groß. Während die Krise für die Deutschen wegen des Wirtschaftsbooms und der niedrigen Arbeitslosigkeit bisher kaum spürbar war, würde sie eine Geldentwertung ins Mark treffen.
Sie sind ohnehin traumatisiert. Die Hyperinflation von 1923 hat massenhaft Ersparnisse vernichtet. Auch wenn nur noch wenige Zeitzeugen leben – die Erfahrung hat sich tief ins Gedächtnis des Landes eingebrannt: In Umfragen geben die Deutschen an, sich vor Inflation genauso zu fürchten wie vor Krankheit, Verbrechen und Krieg. Deshalb bunkern sie Goldmünzen, kaufen Wald und reißen sich um Immobilien. Das Ausland lästert schon über die Inflationsparanoia. Auf den ersten Blick scheint die Furcht tatsächlich übertrieben. Die Preise in Deutschland sind stabil. Erste Schätzungen ergaben für September, dass die Inflationsrate leicht auf 2,0 Prozent gefallen ist.
Durchschnitt stimmt
Doch wie lange geht das gut? Unermüdlich wiederholt Draghi, die stabilen Preise seien nicht in Gefahr. Für den Durchschnitt der Euro-Zone mag er recht behalten. Einige Staaten werden künftig voraussichtlich unter dem Zielwert von zwei Prozent liegen, andere aber zum Teil deutlich darüber: Zu denen wird Deutschland zählen. Das nimmt Draghi in Kauf. Solange der Durchschnitt stimmt, wird er nicht durch höhere Zinsen gegen die Inflation hierzulande vorgehen. Damit würde er die Preise in anderen Ländern weiter drücken und dort eine Deflation auslösen.
Die Deutschen sind gekniffen: Ihr Geldvermögen ist auf fast fünf Billionen Euro gewachsen. Schon leicht erhöhte Inflationsraten können sie bei niedrigen Zinsen schmerzen: Bei einer Inflationsrate von vier Prozent besitzt ein Vermögen nach zehn Jahren Nullverzinsung nur noch 68 Prozent seiner Kaufkraft. Kommt es so – oder noch schlimmer?
Sind die Deutschen zu ängstlich?
Wie entsteht Inflation - und warum ist sie schädlich?
Inflation entsteht, wenn zu viel Geld im Umlauf ist. Schon der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman wusste, dass „Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist“. Ein Übermaß an Geld erhöht zunächst die Kaufkraft und die Nachfrage der Konsumenten. Die Unternehmen weiten daraufhin ihre Produktion aus. Sobald ihre Kapazitäten ausgelastet sind, erhöhen sie ihre Preise. Wegen der gestiegenen Nachfrage können sie die teureren Güter absetzen.
Die Verbraucher erkennen, dass sie für ihr Geld auf ihrem Gehaltszettel immer weniger kaufen können. Ihr Vertrauen in die Stabilität der Währung bröckelt, ihre Inflationserwartungen steigen. Die Gewerkschaften setzen kräftige Lohnerhöhungen durch, denn den Unternehmen geht es ja prächtig. Die gestiegenen Lohnkosten geben die Betriebe weiter, indem sie erneut die Preise erhöhen. Da nicht alle Preise gleichzeitig und gleich stark steigen, verzerrt die Inflation das Preisgefüge. Das erschwert das Investitionskalkül der Unternehmen. Es kommt zu Fehlinvestitionen, die das langfristige Wachstum bremsen.
Weil die Unternehmer wegen der Geldentwertung den realen Ertrag von Investitionsprojekten über längere Zeiträume kaum noch kalkulieren können, stecken sie ihr Geld lieber in Immobilien und Gold. Die Preise für Vermögensgüter beginnen ebenfalls zu steigen.
Woher rührt die Angst vor Inflation?
Die EZB druckt zu viel Geld. Seit Beginn der Währungsunion ist die Geldmenge M3, zu der unter anderem täglich verfügbare Bankeinlagen und Bankforderungen mit Laufzeiten bis zu zwei Jahren zählen, deutlich stärker gestiegen als die Wertschöpfung: Das Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone wuchs im Schnitt jährlich um 1,4 Prozent, dagegen legte M3 um 6,2 Prozent zu. Solch ein Auseinanderklaffen von Geld und Gütermenge hat historisch fast immer zu Geldentwertung geführt.
Noch bedrohlicher ist die Entwicklung des Basisgelds, also der Summe aus Bargeld und Bankeinlagen bei der EZB: Es hat sich seit 2008 auf 1,8 Billionen Euro verdoppelt. Seit Beginn der Schuldenkrise pumpt die Zentralbank unvorstellbar viel Geld ins System: Sie vergibt unbegrenzt Kredite an Geschäftsbanken und hat so Forderungen von 1,5 Billionen Euro angehäuft. Zusätzlich haben die Währungshüter Anleihen im Wert von mehr als 280 Milliarden Euro aufgekauft.
Und das könnte nach den jüngsten Beschlüssen der EZB zur Euro-Rettung erst der Anfang sein. Michael Schubert, Analyst bei der Commerzbank, rechnet damit, dass die EZB noch mal mindestens so viele Anleihen kauft wie bisher. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa-Goldhandel, erwartet sogar, dass sie an die Billionengrenze stößt. Die Zentralbanken würden dann auch Anleihen von Privatleuten kaufen. „Die Anleger werden das Geld vor allem für Immobilien ausgeben – und die Vermögenspreisinflation anheizen.“
Wo bleibt die Inflation?
Warum steigen die Preise derzeit nicht?
Derzeit horten die Geschäftsbanken das Geld, das ihnen die EZB zur Verfügung stellt, auf ihren Konten bei der Zentralbank, statt damit Kredite an Unternehmen und Verbraucher zu refinanzieren. Ein Grund ist, dass die Banken jeden Kredit mit Eigenkapital unterlegen müssen. Je höher das Ausfallrisiko, desto mehr Eigenkapital benötigen sie. Neue Vorschriften zur Bankenregulierung (Basel III) verlangen zudem, bereits vergebene Darlehen mit mehr Eigenkapital zu unterlegen.
Doch Eigenkapital ist knapp. Um ihre Kapitalbasis zu stärken, müssten die Banken neue Aktien ausgeben oder Gewinne einbehalten. Das Problem ist nur: Bankaktien finden derzeit schwer Käufer, und die Gewinne der Finanzbranche schrumpfen. Daher bremsen die Banken ihre Kreditvergabe. Das gilt vor allem für die Krisenländer.
Hinzu kommt, dass die Unternehmen und Bürger in den Peripherieländern wegen hoher Schulden kaum neue Kredite nachfragen. In Deutschland haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren üppige Gewinne verbucht. Sie können ihre Investitionen vielfach aus eigenen Mitteln finanzieren. Solange die Kreditvergabe niedrig bleibe, sei Inflation daher kein Thema, beruhigen Ökonomen. „Das Preisniveau steigt nicht zwingend, wenn sich die Geldmenge erhöht“, sagt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt für Europa bei Goldman Sachs.
Keine Notenbank der Welt habe so viele Anleihen gekauft wie die japanische, dennoch gebe es dort keine Inflation.
Auch Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats, erwartet keine Inflation: „Inflation ist keine Schweinegrippe, die von einem Tag auf den nächsten eine Volkswirtschaft befällt.“ Damit die Betriebe die Preise erhöhen, müsse die Kaufkraft der Verbraucher steigen. „Das erfordert höhere Löhne – die aber sind bei der hohen Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern nicht in Sicht“, urteilt Bofinger. In Deutschland allerdings sieht es anders aus – die jüngsten Tarifabschlüsse brachten Arbeitnehmern auch real mehr Geld.
Ist die Inflationsangst berechtigt?
Spätestens wenn die Konjunktur anzieht, werden die Banken wieder mehr Kredite vergeben und so zusätzliches Geld in Umlauf bringen. Dann wird sich zeigen, ob die EZB ihnen das Zentralbankgeld, das die Banken für die Kreditvergabe benötigen, rechtzeitig entzieht, um Inflation zu verhindern. Zweifel sind angebracht. Die EZB ist in der Krise nahe an die Politik gerückt und zum Finanzier der Staatshaushalte geworden. Der politische Druck auf die Euro-Hüter, die Zinsen niedrig zu halten, um den Staaten den Schuldendienst zu erleichtern, wird steigen.
Für Deutschland sind die Zinsen schon jetzt zu niedrig. Hinzu kommt die vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit hierzulande, die es den Gewerkschaften erleichtert, höhere Löhne durchzusetzen. Deshalb erwartet Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, dass die Inflationsrate auf mindestens drei Prozent steigt. Der Geldtheoretiker Manfred Neumann von der Universität Bonn ist deutlich pessimistischer: „Es wird eine schleichende Inflation geben mit Raten von bis zu sechs Prozent“, sagt der Doktorvater von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
„Es gibt historisch nur einen mit heute vergleichbaren Zeitraum, und das sind die Siebzigerjahre. Die Inflationsrate lag damals bei sechs Prozent. Höher hätte sie auch nicht sein dürfen, sonst hätte die Bevölkerung rebelliert“, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit ist pessimistischer: „Ich fürchte, dass es sogar zweistellige Preissteigerungen gibt.“
Kommt die Deflation?
Besteht die Gefahr einer Deflation?
Tatsächlich könnte es in Spanien, Italien oder Griechenland wegen der schlechten Wirtschaftslage und hoher Arbeitslosigkeit eine Deflation geben, also einen Rückgang des Preisniveaus mit gefährlichen Kollateralschäden. Die Löhne würden weiter sinken, das drückt die Nachfrage und die Preise. Schon jetzt sind die Kapazitäten der Unternehmen in diesen Ländern kaum ausgelastet. Dass die Inflationsraten noch recht hoch sind, liegt vor allem an den gestiegenen Mehrwertsteuersätzen und dem hohen Ölpreis.
Doch bald werden einmalige Teuerungseffekte durch Steuererhöhungen verpuffen und der Ölpreis aufgrund der sich abkühlenden Weltkonjunktur nachgeben. Analysten der US-Bank Citi schätzen, dass in drei Jahren die Inflationsraten in Spanien und Italien bei 0,7 und 0,2 Prozent liegen. „Es wird in den nächsten Jahren in Spanien und Italien kaum Preissteigerungen geben“, sagt auch Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus.
Die Gefahr einer Deflation in Deutschland ist demgegenüber gering. Zwar sind sich die meisten Experten einig, dass die Inflationsrate 2013 zunächst unter zwei Prozent fallen wird. Doch schon 2014 dürfte sich das Blatt wenden. Selbst wenn die Wirtschaft unerwartet stark abkühlt und der Arbeitsmarkt einbricht, dürften die Preise nicht fallen.
Welche Rolle spielt die Euro-Rettung für das Preisniveau?
Über kräftig steigende Inflationsraten in Deutschland würde sich der Rest der Währungsunion freuen. Deutschland hat durch die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den meisten anderen Euro-Ländern verbessert. Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien versuchen zwar, mit Reformen den Abstand wettzumachen. Doch bis die Programme ihre volle Wirkung entfalten, werden viele Jahre verstreichen. Eine hohe Inflationsrate in Deutschland würde diesen Ländern helfen, weil sie deutsche Produkte verteuert und damit weniger wettbewerbsfähig macht.
Der Internationale Währungsfonds in Washington bereitete im Sommer die Deutschen bereits darauf vor, dass die Inflation auf absehbare Zeit über dem Durchschnitt der Euro-Zone liegen werde. Das sei ein Beitrag, um die Lücke bei der Wettbewerbsfähigkeit zu schließen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat ebenfalls signalisiert, dass Deutschland für die Rettung des Euro steigende Preise in Kauf nehmen wird. Eine Inflationsrate von zwei bis drei Prozent sei „noch hinnehmbar“.
Greift die EZB ein?
Kann die EZB eine steigende Inflation verhindern?
Schon der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek wusste, dass Inflation zu verhindern kein „technisches“, sondern ein „politisches“ Problem ist. Die EZB kann jederzeit die unbegrenzte Vergabe billigen Geldes an die Geschäftsbanken stoppen. Sie könnte dafür die Anforderungen an die Sicherheiten anheben, die Institute für Zentralbank-Geld bieten müssen. Doch viele Banken in den Peripheriestaaten werden nur durch die EZB am Leben gehalten. Am Markt würden sie nur schwer an Geld kommen, viele bräuchten staatliche Hilfen. Der politische Druck auf die EZB, teure Bankrettungen zu verhindern, ist hoch.
Zentralbank-Chef Mario Draghi hat aber angekündigt, das Geld wieder einzusammeln, dass er für den Kauf von Anleihen geschöpft hat. Bisher hat er das Versprechen formal eingelöst. Er hat den Banken angeboten, Geld in Höhe der Anleihekäufe bei der EZB in verzinslicher Form für eine Woche anzulegen. Das haben die Institute bisher auch getan. Kommt die Wirtschaft jedoch wieder in Fahrt, müsste er den Banken deutlich mehr zahlen als den derzeitigen Zins von knapp über null.
Sonst würden die Banken mit der Kreditvergabe deutlich mehr Geld verdienen. Experten wie der Geldtheoretiker Manfred Neumann oder Commerzbank-Analyst Michael Schubert gehen davon aus, dass der Zins dann bei vier Prozent liegen müsste. Doch damit würde Draghi das allgemeine Zinsniveau anheben und die Erholung in den Krisenländern belasten. „Es ist fraglich, ob die Währungshüter angesichts des massiven politischen Drucks einen solchen Kurs durchhalten können. Der Ankündigung der EZB, das Geld wieder einzusammeln, ist nicht zu trauen“, sagt Neumann.
Wie aussagekräftig ist die Inflationsstatistik?
Unmittelbar nach der Euro-Einführung spürten viele, dass die offizielle Inflationsstatistik nicht alles sagt. Der Lebensmitteleinkauf, der Restaurantbesuch oder die Rechnung an der Tankstelle wurden deutlich teurer, doch die staatlichen Behörden vermeldeten stabile Preise. Der Grund: Das Statistische Bundesamt errechnet die Inflationsrate jeden Monat aus der Veränderung der Preise Tausender Produkte, darunter auch seltener Anschaffungen wie Computer und Fotoapparate. Für den Bürger ist jedoch entscheidend, wie oft er ein Produkt kauft, weil davon abhängt, wie stark er den Preisanstieg spürt.
Der verstorbene Statistik-Professor Hans Wolfgang Brachinger von der Schweizer Universität Freiburg hat darum vor Jahren das Konzept der „gefühlten Inflation“ entwickelt. Er gewichtete die Preise von häufig gekauften Gütern im Warenkorb stärker als andere Preise – und kam zu dem Ergebnis, dass die gefühlte Inflation nicht selten stärker steigt als die amtlich ermittelte Teuerung. So ist für die meisten Bürger die Miete der dickste Belastungsposten im monatlichen Budget.
Da die Mieten aber nicht zuletzt aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur selten steigen, stabilisieren sie das amtlich gemessene Preisniveau. Zudem spürt der Bürger mögliche Erhöhungen nicht so sehr, da die Miete meist nur einmal im Monat von seinem Konto abgebucht wird. Anders sieht es dagegen bei Brötchen, Butter und Benzin aus. Werden sie teurer, spüren das die Menschen, da sie häufig nach diesen Produkten greifen.
Wer profitiert von Inflation, wer leidet?
Wer gewinnt und wer verliert bei Inflation?
Inflation nützt Schuldnern und schadet Gläubigern. Denn mit der Geldentwertung schrumpft auch der reale Wert von Forderungen. Der größte Gewinner ist deshalb der Staat. Ist die Inflationsrate höher als der Zins, zu dem er sich Geld geliehen hat, schmelzen seine Schulden auf wunderbare Weise dahin.
Zu den Profiteuren zählen auch die Banken, die selbst kaum eigene Mittel haben, sich aber das Geld bei der EZB zu Minizinsen leihen und teurer weitergeben. „Die Banken unterstützt der Staat. Schließlich sind sie sein größter Financier“, sagt Professor Jörg Guido Hülsmann von der Universität Angers in Frankreich.
Die größten Verlierer sind die Bürger der Mittelschicht. „Die Inflation trifft immer die breite Masse. Sie ist nicht auf die Preissteigerungen vorbereitet“, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser. „Die professionellen Anleger sind hingegen cleverer und haben ihr Geld frühzeitig in Sicherheit gebracht.“ Die Inflation schwächt die Kaufkraft und frisst das meist niedrig verzinste Ersparte auf.
Zu den Inflationsverlierern zählen aber auch die Notenbanken. Inflation ruiniert ihren Ruf, und da sie massenhaft Staatsanleihen gekauft haben, sind sie als große Gläubiger der Staaten selbst betroffen. „Schulden werden durch Inflation vom Staat auf die Notenbanken verlagert. Wenn es so weitergeht, wird die EZB der größte Gläubiger der Staaten sein – genauso wie die Reichsbank in den Dreißigerjahren“, warnt Ökonom Hülsmann.
Droht eine neue Hyperinflation?
Das Zitat ließ aufhorchen: „Furcht vor galoppierender Inflation hilft nicht. Es gibt keine Abstriche an unserer Politik der Geldwertstabilität“, versicherte jüngst Jörg Asmussen, Mitglied im EZB-Direktorium. Allein die Tatsache, dass Asmussen den Begriff „galoppierende Inflation“ benutzte, ist bemerkenswert – in EZB-Kreisen war dies bisher absolut unüblich.
Ökonomen sprechen von galoppierender oder Hyperinflation, wenn die Preise unkontrolliert und explosionsartig nach oben schießen und die Inflationsrate – pro Monat – über 50 Prozent liegt. Den Rekord der jüngeren Vergangenheit hält Simbabwe, das es 2008 auf eine Geldentwertung von 231 Millionen Prozent brachte. Ist so etwas auch bei uns möglich, wenn die Monetisierung von Staatsschulden allzu lange und exzessiv betrieben wird?
Drohen uns noch mal Zustände wie 1923? Theoretisch ja – doch ist dieses Horrorszenario unrealistisch. Es sei zwar „historisch fast nie gelungen, eine überbordende Staatsverschuldung ohne Inflation in den Griff zu bekommen“, sagt der Berliner Wirtschaftshistoriker Nikolaus Wolf. „Dass sich in Deutschland eine Hyperinflation wie 1923 wiederholt, halte ich aber für höchst unwahrscheinlich. Die Möglichkeiten der Zentralbank, Liquidität vom Markt zu nehmen, sind viel größer und ausgefeilter als früher“. Und sollte die EZB versagen, bleibt Deutschland als letzte Option immer noch die Wiedereinführung der D-Mark.