EZB Alle blicken gespannt auf den kommenden Beschluss am Donnerstag

François Hollande ist überzeugt, dass die Europäische Zentralbank den Rückkauf von Staatsschulden beschließen wird. Auch der Markt ist zuversichtlich und Angela Merkel hat sich gegen Krisenszenarien für den Euro gewandt.

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In der Nähe der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main werden Passanten zum Lächeln aufgefordert. Quelle: dpa

Schon vor der mit Spannung erwarteten EZB-Entscheidung über einen massenhaften Ankauf von Staatsanleihen streiten die beiden größten Volkswirtschafen der Euro-Zone über die Folgen der Geldflut. Frankreichs Präsident Francois Hollande erhofft sich einen willkommenen Schub für die schleppende Konjunktur in Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt sich dagegen am Montag auffallend zurück: "Die EZB trifft ihre Entscheidungen sowieso unabhängig", sagte sie in Berlin. Der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Norbert Barthle, äußerte jedoch scharfe Kritik. "Mit ihrer Politik des billigen Geldes steuert die EZB auf einen gefährlichen Teufelskreis zu", sagte er Reuters. Aus der deutschen Wirtschaft kamen zudem Stimmen, die vor einem Währungskrieg warnten.

An den Finanzmärkten gilt es inzwischen als ausgemachte Sache, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf ihrer ersten Zinssitzung in diesem Jahr ein milliardenschweres Kaufprogramm für Staatsanleihen - im Fachjargon "Quantitative Easing" (QE) genannt - auf den Weg bringt. Einer Reuters-Umfrage zufolge erwarten 18 von 20 befragten Geldmarkt-Händlern eine entsprechende Ankündigung. Dabei wird mit einem Volumen von 600 Milliarden Euro gerechnet.

Wie Mario Draghi die Märkte mit Geld fluten kann

Hollande sagte in einer Rede, weitere unkonventionelle Maßnahmen der EZB würden helfen. Die zusätzliche Liquidität könne für mehr Wachstum sorgen. In Erwartung der Anleihenkäufe hat der Euro bereits deutlich an Wert verloren, was die Exportwirtschaft in Deutschland und Frankreich auf den Weltmärkten wettbewerbsfähiger macht. Auch aus dem kräftigen Rückgang des Ölpreises erhofft sich Hollande Rückenwind für die seit Jahren schleppende Konjunktur in vielen Ländern der Euro-Zone.

Dagegen zweifelte Barthle am Sinn der angedachten EZB-Maßnahmen. "Ich bin nicht von der Notwendigkeit eines massiven Aufkaufprogramms für Staatsanleihen überzeugt", so der CDU-Politiker, ein Vertrauter von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Hauptaufgabe der Notenbank sei es, für Preisstabilität zu sorgen: "Darauf sollte sich die EZB besinnen und nicht in immer kürzeren Abständen zweifelhafte Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft ergreifen." Für Wachstum müssten die EU-Länder mit Reformen sorgen - nicht aber die EZB über eine lockere Geldpolitik. Ähnliche Kritikpunkte hatte bereits Bundesbank-Chef Jens Weidmann gegen den Kauf von Staatsanleihen vorgebracht. Insidern zufolge pocht die deutsche Notenbank weiterhin auf Grenzen des QE-Programms.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, befürchtet unterdessen, dass ein immer weiter sinkender Euro-Kurs ungewünschte Reaktionen zur Folge haben könnte. "Wenn die USA jetzt zum Beispiel ihre Zinserhöhung verschieben, um gegenüber Europa nicht an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, droht uns eine Spirale des lockeren Geldes, bei der am Ende alle verlieren", warnte Wansleben.

EZB-Chef Mario Draghi hat die Tür für eine weitere Lockerung der Geldpolitik nach dem Vorbild der USA allerdings bereits weit geöffnet. QE soll Banken dazu bringen, ihre Staatsanleihen abzustoßen und stattdessen mehr Kredite zu vergeben. Dies soll die Konjunktur ankurbeln und einen gefährlichen Preisverfall auf breiter Front mit sinkenden Löhnen und rückläufigen Investitionen - eine sogenannte Deflation - verhindern. Die EZB strebt eigentlich eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Im Dezember waren die Lebenshaltungskosten in der Euro-Zone aber erstmals seit mehr als fünf Jahren gefallen - um 0,2 Prozent.

Nach Aussagen von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny besitzt die Zentralbank nur wenige wirksame Mittel gegen eine Deflation. "Unsere Möglichkeiten sind begrenzt", sagte der österreichische Nationalbank-Gouverneur der "Tiroler Tageszeitung". "Wir sehen ja die Gefahr von Japan, das seit zwei Jahrzehnten niedriges Wachstum, niedrige Inflation und niedrige Zinsen hat." Der Sicherheitsabstand zu einer Deflation sei geringer geworden.

Nach Einschätzung der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, ist ein QE-Programm der europäischen Währungshüter umso wirksamer, je mehr die Risiken unter den beteiligten Ländern geteilt werden. Das allerdings ist weiter ein Streitpunkt bei der konkreten Ausgestaltung. Denn Weidmann befürchtet unter anderem, dass Deutschland und damit letztlich der hiesige Steuerzahler für einen möglichen Ausfall von Bonds eines anderen Euro-Landes haften muss. Nach früheren Informationen der Nachrichtenagentur Reuters gehört zu den von den Währungshütern geprüften Varianten auch eine, bei der die Länder nur für einen Teil der Risiken gemeinschaftlich haften müssen. Das würde der Bundesbank teilweise entgegenkommen.


Erwartete EZB-Geldschwemme hebt Dax auf Rekordhoch

Auch an der Börse wartet jedermann gespannt auf Donnerstag, wenn die EZB ihre Geldschleusen noch weiter öffnen könnte. Davon gehen die meisten Marktteilnehmer aus - und kaufen fleißig. Das treibt den Dax zum nächsten Rekordstand. Die Märkte seien extrem optimistisch, dass die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag mit der Ankündigung umfangreicher Käufe von Staatsanleihen ein starkes Zeichen setze, hieß es beim Broker IG. Die Geldflut der Notenbanken treibt seit Jahren die Aktienbörsen an.

Im frühen Handel stieg der deutsche Leitindex bis auf gut 10 253 Punkte und setzte damit seinen jüngsten Höhenflug fort. Am Nachmittag stand noch ein Plus von 0,65 Prozent auf 10 234,10 Punkte zu Buche. Bereits am Freitag hatte das Börsenbarometer nach den Turbulenzen um die Entkoppelung des Franken vom Euro historische Bestmarken erreicht und nachbörslich sogar erstmals die Marke von 10 300 Punkten übersprungen.

Der MDax der mittelgroßen Werte notierte nach einem Sprung bis auf ebenfalls rekordhohe 17 804 Punkte noch 0,72 Prozent im Plus bei 17 802,92 Punkten. Der TecDax kletterte um 0,87 Prozent auf 1452,05 Punkte. Für den Technologiewerte-Index bedeutete das immerhin den höchsten Stand seit Mitte 2001. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 rückte um 0,57 Prozent vor.

Die Reaktionen zum OMT-Programm

Alles andere als die erwartete Ankündigung eines „QE“-Programms („Quantitative Easing“) der EZB würde die Akteure am Aktienmarkt enttäuschen, sagte Analystin Claudia Windt von der Helaba mit Blick auf die anstehende Notenbank-Sitzung am Donnerstag. Bis zum Höhepunkt der Woche rechnen Marktteilnehmer mit einiger Nervosität. Zum Wochenauftakt blieb das Handelsvolumen jedoch gedämpft, weil die New Yorker Wall Street wegen des Feiertags Martin Luther King Day geschlossen bleibt und etliche amerikanische Investoren am Markt fehlten.

Der jüngste Kursrutsch in China ließen den Dax kalt. Dort hatte die Wertpapieraufsicht den kreditfinanzierten Aktienkauf aus Sorge um eine Marktüberhitzung eingeschränkt. Der Wertpapierkauf auf Pump gilt als einer der Treiber an den chinesischen Festland-Börsen im vergangenen Jahr. Auch die jüngste Verschärfung des Konflikts zwischen der Ukraine und den prorussischen Separatisten im Osten des Landes sowie die anstehenden Wahlen in Griechenland könnten dem Markt derzeit kaum etwas anhaben, erklärte Windts Kollege Christian Schmidt.

Bei den Einzelwerten gaben Analystenkommentare die stärksten Impulse. Die Aktien von Dax-Spitzenreiter Adidas gewannen 3,64 Prozent nach einer positiven Studie. Umgekehrt büßten die Anteilsscheine von Kuka als einer der größten Verlierer im MDax 2,88 Prozent ein.

Am deutschen Rentenmarkt verharrte die Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere bei 0,35 Prozent. Der Rentenindex Rex fiel um 0,35 Prozent auf 139,79 Punkte. Der Bund-Future gewann 0,24 Prozent auf 157,80 Punkte. Der Kurs des Euro stieg: Die EZB setzte den Referenzkurs auf 1,1605 (Freitag: 1,1588) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8617 (0,8630) Euro.

Der Kurs des Euro ist am Montag gestiegen. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,1605 (Freitag: 1,1588) Dollar fest. Der Dollar kostete damit 0,8617 (0,8630) Euro.

Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0,76640 (0,76370) britische Pfund, 136,27 (135,06) japanische Yen und 1,0120 (1,0128) Schweizer Franken fest.

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