EZB-Entscheidung Draghi bleibt unbelehrbar, die Risiken steigen

Die heutige EZB-Sitzung hat gezeigt: Auf höhere Zinsen und eine solide Geldpolitik müssen die Sparer noch lange warten. Anleger sollten sich lieber auf die nächste Krise vorbereiten.

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EZB-Präsident Mario Draghi auf dem zur Bekanntgabe der Zinsentscheidung. Quelle: AP

Was hatten sich die Analysten der Banken im Vorfeld der heutigen Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht alles zusammengereimt. Zunächst hatten sie darauf gewettet, dass EZB-Chef Mario Draghi den baldigen Rückzug der Währungshüter aus den Anleihekäufen ankündigen werde. Doch als der Euro in den vergangenen Wochen immer stärker wurde, revidierten sie ihre Prognosen und erwarteten,  die EZB werde erst im Oktober den Exit aus dem Kaufprogramm ankündigen.  Damit sollten sie Recht behalten.

Angesichts des starken Euros haben die Währungshüter kalte Füße bekommen. Sie ließen es heute mit der Ankündigung der Ankündigung des Rückzugs aus ihrem Anleihen-Kaufprogramm im Oktober bewenden. Normalisierung der Geldpolitik im Schneckentempo. Zudem erklärte Draghi, dass es höhere Leitzinsen frühestens nach dem Ende des Kaufprogramms geben werde, also nicht vor Ende nächsten Jahres.  

Zur Begründung verwies er darauf, die Schwankungen des Euro-Kurses  stellten einen „Unsicherheitsfaktor“ dar für das Bestreben der EZB,  die Inflation auf den Zielwert von zwei Prozent zu  hieven. Deutlicher hätte er nicht versuchen können, den Euro schwach zu reden.

Tatsächlich drückt der starke Euro die Importpreise und damit die Inflation nach unten. Die EZB rechnet für dieses und das nächste Jahr deshalb nur mit Teuerungsraten von 1,5 beziehungsweise 1,2 Prozent. Nur: Die Aufwertung des Euro ist kein Schock, der die Euro-Zone unvorbereitet trifft. Sie ist die Folge und das Spiegelbild der konjunkturellen Erholung in der Währungsunion.  Diese sollte die EZB zum Anlass nehmen,  die Geldpolitik zügig zu straffen, statt im Boom die Zügel noch länger locker zu lassen.

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Auf Nachfrage von Journalisten wies Draghi darauf hin, dass die EZB nur auf das Ziel der Preisstabilität verpflichtet sei. Nichts werde sie daher davon abbringen, an diesem Ziel, das sie bei einer Inflationsrate von 2 Prozent erreicht sieht, festzuhalten.

Ökonomen bezweifeln jedoch, dass es den Währungshütern gelingt, ihr 2-Prozent-Ziel zu erreichen. Das liegt vor allem daran, dass die Lohninflation nicht in Gang kommt. So halten neben der Globalisierung die Produktivitätsschwäche, die schwindende Macht der Gewerkschaften, die Robotisierung und die nach wie vor hohe Arbeitskräftereserve die Löhne in Schach. Dass all diese Faktoren bald verschwinden, wie Draghi hofft, ist reines Wunschdenken.

Damit steigt die Gefahr, dass die EZB bei ihrem Versuch, die Verbraucherpreise zu inflationieren gefährliche Preis- und Kursblasen an den Aktien- Anleihen- und Immobilienmärkten aufpumpt. Platzen diese, droht die nächste Finanzkrise. Einwände in diese Richtung wischte Draghi auf der Pressekonferenz mit dem Hinweis vom Tisch, er könne bisher keine Immobilienblase erkennen. Sollte diese wider Erwarten doch entstehen, werde man darauf mit regulatorischen Maßnahmen wie höheren Eigenkapitalanforderungen bei der Kreditvergabe reagieren.

Offenbar glaubt Draghi, die Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB sei in der Lage, Blasen zu identifizieren und dann mit dem richtigen Mittel in der richtigen Dosierung und zum richtigen Zeitpunkt dagegen vorzugehen. Derartige Allmachtfantasien gründen auf der Anmaßung von Wissen. Sie sind Ausgeburt einer konstruktivistischen Geldpolitik, die glaubt, die Welt mechanistisch in die von ihr vorgedachten Bahnen lenken zu können. Politischer Steuerungswahn jedweder Art aber ist der Welt noch nie gut bekommen. Anleger und Bürger sollten die heutige Pressekonferenz der EZB daher zum Anlass nehmen, sich auf die nächste Krise vorzubereiten.

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