EZB in der Kritik Die Crux mit der Kreditvergabe

Die Kreditvergabe in Deutschland sinkt, obwohl die Banken von der EZB mit billigem Geld überschwemmt werden. Für die Zentralbank eine denkbar schlechte Nachricht, denn die Kritik an ihrer Politik wird immer lauter.

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EZB-Chef Mario Draghi wird für seine expansive Politik immer mehr kritisiert. Quelle: dpa

Seit Jahren kämpft die Europäische Zentralbank (EZB) mit zahlreichen Geldspitzen dafür, dass die Kreditvergabe in der Euro-Zone wieder ansteigt. Vor allem vom billigen Geld für Europas Banken erhofft sich EZB-Chef Mario Draghi einen Impuls für die Kreditvergabe und damit für Konjunktur und Inflation.

Zuletzt sah es laut Zahlen der Notenbank auch so aus, als würden Deutschlands Banken zumindest wieder etwas mehr Kredite vergeben. Nun deuten Zahlen der KfW allerdings in eine andere Richtung. Für die EZB kommt die Nachricht zur Unzeit, denn die Kritik an der ultra-expansiven Politik der Zentralbank wird immer lauter.

Die KfW schätzt in ihrem aktuellen Kreditmarktausblick, dass die Vergabe von neuen Darlehen im ersten Quartal 2016 um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen dürfte. Ein Grund ist, dass die Banken im entsprechenden Vorjahreszeitraum ihr Kreditgeschäft mit Unternehmen deutlich gesteigert haben. Schon im vierten Quartal des vergangenen Jahres ist die Kreditvergabe um 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft, im Vorquartal waren es sogar 3,3 Prozent.

Das sagen Ökonomen zur EZB-Entscheidung

Ganz anders lesen sich dagegen Zahlen, welche die EZB für die Euro-Zone verkündete. Im Februar stieg die Kreditvergabe so deutlich wie seit Jahren nicht mehr. Banken vergaben 0,9 Prozent mehr Darlehen an Unternehmen als im Vorjahresmonat. Auch im Januar hatte das Plus bei 0,6 Prozent gelegen.

Kredite außerhalb des Wohnungsbaus schwach

Für die deutschen Banken fielen die Daten ebenfalls befriedigend aus. "Die kürzlich von der EZB veröffentlichten Zahlen zur Kreditvergabe der deutschen Banken waren recht gut. Das ist erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kreditmarkt gespalten bleibt", sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW. Das Geschäft mit Wohnungsbaukrediten in Deutschland und mit Unternehmen aus anderen Euroländern expandiere zwar. "Im Gegensatz dazu erwarten wir, dass die Vergabe neuer Kredite an heimische Unternehmen außerhalb des Wohnungsbaus schwach bleibt".

Immobiliendarlehen verschönern also die Zahlen der EZB. Sich darauf zu verlassen, könnte aber gefährlich werden. Angesichts der Niedrigzinsen setzen Sparer auf Betongold und wollen um jeden Preis die niedrigen Baufinanzierungszinsen nutzen. Entsprechend driftet der Immobilienmarkt in Deutschland immer weiter auseinander, gerade in gefragten Lagen in den Großstädten warnen Experten schon länger vor einer Blase.

In luxuriösen Lagen werden mittlerweile Quadratmeterpreise von bis zu 19.000 Euro fällig. Ein unverfälschtes Bild der Kreditvergabe liefern daher die Zahlen der KfW, bei denen Immobilienkredite herausgerechnet wurden.

Ab Juni beginnt die EZB mit der Ausgabe von extrem günstigen Krediten für Banken. Die besten Konditionen erhalten dabei Institute, deren Kreditvergabe sich zuletzt verbessert hat. Auch hier sollen Immobilienkredite nicht berücksichtigt werden.

Viel Kritik aus der Politik

Gründe für die schwächelnde Kreditvergabe gibt es einige. Zum einen horten die Unternehmen dank des billigen Geldes viele Eigenmittel. Zum anderen lastet weiterhin eine hohe Unsicherheit auf der Investitionslust der Unternehmen. Ökonom Zeuner erwartet, dass die Investitionsbereitschaft erst wieder wachsen wird, wenn in den Unternehmen das Vertrauen in die globale Konjunktur zurückkehrt. Zuletzt signalisierten Stimmungsindikatoren dagegen Sorgen um die Realwirtschaft.

Für EZB-Chef Mario Draghi sind die neuen Prognosen der EZB keine gute Nachricht. Der Italiener verkündete im März ein wahres Feuerwerk an Maßnahmen, um dem EZB-Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent endlich näher zu kommen. Unter anderem senkte die Zentralbank den Leitzins auf null Prozent und weitere das Anleihekaufprogramm, welches im März vergangenen Jahres startete, um 20 auf 80 Milliarden Euro monatlich aus.

Die neuen Kreditprognosen könnten einmal mehr darauf hindeuten, dass das billige Geld der Notenbank ins Leere läuft und sein Ziel verfehlt. Zumindest in Deutschland wurde die Kritik an der EZB-Politik zuletzt immer lauter. Mehrere Politiker der Union riefen zuletzt zu einer Kehrtwende der Geldpolitik auf. „Die EZB fährt einen hoch riskanten Kurs und nimmt enorme Risiken in Kauf“, warnte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in der „Welt am Sonntag“.

"Angriff auf das Vermögen der Deutschen"

„Der Wegfall der Zinsen produziert eine klaffende Lücke in der Altersvorsorge der Bürger.“ Gleichzeitig werde ein „fatales Signal“ gesetzt: „Nämlich, dass Vorsorge und Sparen keinen Sinn haben.“ Bayerns Finanzminister Markus Söder klagte gegenüber dem "Spiegel": "Die Nullzinspolitik ist ein Angriff auf das Vermögen von Millionen Deutschen, die ihr Geld auf Sparkonten und in Lebensversicherungen angelegt haben“.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußerte jüngst die Befürchtung, dass "die Auswirkungen der Geldpolitik in Deutschland zunehmend euroskeptische Bestrebungen nähren". Offenbar will der Finanzminister auf dem anstehenden Treffen mit seinen Kollegen der G-20 für einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik werben.

Immer lauter wird die EZB-Kritik auch seitens der Banken. Der neue Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Hans-Walter Peters, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, die Zinspolitik der EZB zerre an den Zinsmargen, der Haupteinnahmequelle vieler Institute.

Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon warf der EZB ebenfalls vor, mit ihrer Nullzinspolitik das Finanzsystem zu gefährden und das Vertrauen in den Euro zu zerstören.

Die EZB wehrt sich verbal gegen die Kritik. Ratsmitglied Benoit Coeure erklärte auf einer Notenbankkonferenz am vergangenen Donnerstag in Frankfurt, er würde sich auch freuen, wenn nicht mehr alle Probleme der Euro-Zone auf dem Tisch der EZB landen würden. Sein Kollege, EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, erklärte, die viele Kritik an der EZB sei manchmal schwer zu schlucken.

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