EZB kauft Staatsanleihen Der Euro wird zur Weichwährung

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Welche Gefahren bergen die Anleihekäufe?

Der Kauf von Staatsanleihen verstößt nach Ansicht vieler Experten gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung. Zwar verbietet Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausdrücklich nur den „unmittelbaren Erwerb“ von Schuldtiteln der Regierungen durch die Zentralbanken.

Die EZB will daher Anleihen nur am Sekundärmarkt, also von den Banken, kaufen. Ökonomisch läuft aber auch dies auf die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse hinaus. Kaufen die Geschäftsbanken mit dem frisch geschöpften Geld der Zentralbank neue Staatsanleihen, fließt das Geld an den Staat, der damit seine Haushaltsdefizite finanziert.

So kommt das Geld in den Wirtschaftskreislauf und treibt die Preise mittelfristig in die Höhe. Ein Teil des frisch geschöpften Geldes dürfte zudem von den Banken in die Finanz- und Immobilienmärkte fließen und gefährliche Blasen produzieren.

So kreditwürdig sind die Eurostaaten
Das Centrum für europäische Politik (CEP) hat die Kreditfähigkeit der Euro-Staaten analysiert. Einen besonders intensiven Blick haben die Wissenschaftler auf Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien geworfen. Das Resultat: die Probleme, die zur Euro-Krise geführt haben, bestehen weiterhin - und haben sich sogar auf weitere Länder ausgeweitet. Quelle: dpa
Die Kreditfähigkeit von Spanien nimmt erstmals seit Einführung des Euros zu. Die Ampel für Spaniens Kreditwürdigkeit steht auf grün, das CEP vergibt beim Schuldenindex eine Wertung von 2,3. Ein positiver Wert des CEP-Default-Indexes bei gleichzeitigem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschuss bedeutet: Das Land benötigt in der betrachteten Periode keine Auslandskredite, es steigert daher seine Kreditfähigkeit. Diese positive Entwicklung dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land noch weitere Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen umsetzen muss, um die in den Krisenjahren drastisch angestiegene Staatsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Quelle: dpa
Auch für Irland steht die Ampel auf grün. Der ehemalige Krisenstaat hat, wie die kontinuierliche Zunahme der Kreditfähigkeit seit 2010 zeigt, die Krise überwunden. Der Schuldenindex beträgt 6,7, ist also deutlich positiv. Aufgabe muss es nun sein, die Investitionen, die auf fast Null gesunken sind, zu steigern, um die Wirtschaft wieder voran zu treiben. Quelle: dpa
Für Portugal zeigt die Ampel dagegen rotes Licht: Zwar erodiert die portugiesische Kreditfähigkeit noch immer. Der ununterbrochene Anstieg des Schuldenindexes seit 2011 zeigt jedoch, dass Portugal erhebliche Anstrengungen unternommen und Anpassungen bewältigt hat. Derzeit beträgt der Index -2. Unbeschadet dieser positiven Entwicklungen ist es allerdings fraglich, ob Portugal bereits ohne weitere Finanzhilfen auskommen wird, wenn das Anpassungsprogramm Mitte 2014 ausläuft. Quelle: dpa
Auch Italien gehört zu den Ländern mit einer "verfestigten abnehmenden Kreditfähigkeit", wie es beim CEP heißt. Die seit 2009 zu beobachtende Erosion der Kreditfähigkeit von Italien dauere an. Gegenüber 2012 habe sich der Verfall beschleunigt. Es sei fraglich, ob sich dies auf absehbare Zeit ändere. Denn die hierfür notwendigen Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen seien von der italienischen Regierung bisher nicht ergriffen worden. Quelle: dpa
Ganz mies ist die Lage in Griechenland: Mit einem Wert von -9,8 hat Griechenland die schlechteste Kreditwürdigkeit aller 31 untersuchten Staaten. Die Kreditfähigkeit des Landes verfällt weiter und zwar deutlich schneller als die aller anderen Euro-Länder. Die Wiedererlangung der griechischen Kreditfähigkeit ist nicht absehbar, die Ampel steht auf dunkelrot. Quelle: dpa
Eine negative Überraschung kam in diesem Jahr aus dem Norden Europas: Belgien und Finnland weisen im ersten Halbjahr 2013 erstmals eine abnehmende Kreditfähigkeit auf. Da beide Länder noch über Auslandsvermögen verfügen, ist die Schuldentragfähigkeit allerdings noch nicht unmittelbar bedroht, die Ampel zeigt gelb-rot. Der CEP-Default-Index liegt im Falle Belgiens bei -0,5, bei Finnland beträgt er -0,1. Ein negativer Wert kann auf zwei Arten entstehen: 1. Die Nettokapitalimporte übersteigen die kapazitätssteigernden Investitionen. Das Land konsumiert über das im Inland erwirtschafteten Einkommen auch einen Teil des Nettokapitalimports. Die Volkswirtschaft verschuldet sich folglich im Ausland, um Konsumausgaben finanzieren zu können. 2. Kapital verlässt das Land, so dass der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo positiv ist. Gleichzeitig jedoch schrumpft der Kapitalstock. Das Land verarmt. Quelle: dpa

Außerdem lenken die künstlich nach unten gedrückten Zinsen Geld in Investitionsprojekte, die sich unter normalen Bedingungen nicht lohnen. Die EZB stößt dadurch Fehlinvestitionen an. Dazu kommt, dass die Niedrigzinsen die Reformanreize in den Krisenländern ersticken.

Warum sollten sich die Regierungen in Italien, Frankreich und Griechenland dem Protest ihrer Wähler gegen notwendige Sparmaßnahmen aussetzen, wenn die EZB die Löcher in den Staatshaushalten eh mit der Notenpresse finanziert? „Geldpolitik kann Strukturreformen nicht ersetzen“, warnt Ökonom Schmidt.

Der Instrumentenkasten der EZB

Problematisch ist zudem, dass die Anleihekäufe die Ausfallrisiken zwischen einzelnen Ländern umverteilen und eine Gemeinschaftshaftung erzeugen, die gegen das Bail-out-Verbot (Artikel 125 AEUV) verstößt. Daran kann letztlich auch der Kauf von Staatsanleihen auf eigene Rechnung der Notenbank des jeweiligen Landes nichts ändern.

Denn kommt es in einem Land zu einem Schuldenschnitt, muss die Notenbank ihren Bestand an Staatsanleihen abschreiben. Je größer die Verluste im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital sind, desto größer wird der Druck, die Notenbank zu rekapitalisieren. Dafür dürften Mittel aus dem Euro-Rettungsfonds ESM fließen, für die in erster Linie die deutschen Steuerzahler bürgen.

Diese tragen als Nettosparer ohnehin die Hauptlast der Anleihekäufe der EZB. Im Schnitt haben sie mehr Geld auf Bankkonten deponiert, als sie Kredite in Anspruch nehmen. Daher treffen sie die Niedrigzinsen besonders heftig. Nach Berechnungen der Allianz Group haben die Deutschen durch die Niedrigzinspolitik in den vergangenen fünf Jahren netto rund 22,8 Milliarden Euro Zinsverluste erlitten.

Die Anleihekäufe der EZB dürften diese Verluste in den nächsten Jahren weiter anschwellen lassen. Böse Überraschungen dürften die Bürger auch erleben, wenn sie ihren Urlaub außerhalb der Euro-Zone verbringen. Der schwache Euro macht den Urlaub im Dollar-Raum nahezu unerschwinglich. Spätestens an der Strandbar dürfte dem letzten Bürger klar werden, dass die Geldschwemme, die Europas Währung retten soll, letztlich den Wohlstand seiner Bürger erodiert.

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