Auch Constâncio konnte in seiner kurzen Rede nicht verheimlichen, dass die fragile Lage der Banken eine Gefahr darstellt. Es bestehe das Risiko, dass die Institute nicht genug Kernkapital aufnehmen könnten. „Würden die Banken erneut anfangen, Kapital abzubauen, wäre das sehr schlecht für die Wirtschaft der Euro-Zone“.
Constâncio trifft mit seinen Ausführungen den Nerv vieler Konferenz-Teilnehmer. Europas Banken müssten endlich den hohen Bestand ihrer notleidenden Kredite abbauen, heißt es unisono. Die größte Gefahr sehen die meisten, ähnlich wie die Finanzmärkte, bei italienischen Banken.
„Europas Banken sind nicht gut kapitalisiert“, warnt Darrel Duffie, Professor in Stanford. Eine besonders große Bank habe sogar nur eine Marktkapitalisierung von einem Prozent ihrer Anlagen. Das Problem ist bei weitem nicht lokal.
„Die italienischen Banken sind ein großes Problem für die gesamte Euro-Zone“, warnt der renommierte Ökonom Barry Eichengreen gegenüber der WirtschaftsWoche. Auch die stellvertretende Bundesbank-Chefin Claudia Buch mahnt, allein die Profitabilität von Banken sei kein ausreichender Indikator für die Stärke des Finanzsystems.
Insbesondere in Europa hätten Banken es verpasst, ihren Kapitalpuffer ausreichend aufzustocken, meint Mark Burgess, Chefinvestor für Columbia Threadneedle in London. In den USA und Großbritannien sehe das besser aus. Die Schuld für die miserable Lage der Banken gibt Burgess auch der EZB. „Die Notenbanken verteilen das magische Kapital, was die Banken haben wollen“. Es mangele den Geldhäusern also nicht an Geld, aber an Kernkapital. Bei dessen Aufbau helfen eben auch die Notenbanken nicht weiter, so Burgess. Der Skeptiker will große Fusionen am Bankenmarkt in Zukunft nicht ausschließen.
Laut EZB-Vize Constâncio hat die Notenbank die richtigen Maßnahmen zur Behandlung der Banken-Sorgen schon ergriffen. Seit kurzem verleiht die Zentralbank den Instituten Geld zum Nulltarif. Wenn die Banken das Geld in Form von Krediten an die Realwirtschaft weitergibt, ist die Situation sogar noch skurriler. „Wir bezahlen die Banken dafür, dass sie Geld verleihen“, sagt Constâncio im Hinblick auf die neuen Langfristtender TLTRO-2.
Brexit und Bankenkrise sorgen derweil weiter dafür, dass an den Finanzmärkten über expansive Maßnahmen der Zentralbank spekuliert wird. Darauf will sich die EZB nicht festnageln lassen. „Wir müssen abwarten, um zu sehen wohin sich die Dinge nach dem Brexit entwickeln“, sagt Constâncio. „Wir haben immer noch Instrumente“, fügt der Portugiese hinzu.
Allerdings räumte er auch ein, dass die EZB viele der möglichen Maßnahmen bereits genutzt hat. Vorerst dürften es vor allem die Kollegen aus der Bankenaufsicht sein, bei denen sich mehr Überstunden anhäufen.