EZB-Konferenz nach dem Brexit Große Sorge um Europas Banken

Europas Notenbanker versuchen zu beruhigen, ein Brexit sei kein zweiter Lehman-Moment. Trotzdem muss die EZB eingestehen, dass es in der Euro-Zone einen eindeutigen Gefahrenherd gibt – die Banken, vor allem die italienischen.

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EZB-Vize Vitor Constancio. Quelle: REUTERS

Zum Schluss wird der Geist namens Brexit auf der Konferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Bergen Sintras doch aus der Flasche gelassen. Zwar muss das eigentlich geplante hochkarätige Notenbankertreffen zwischen Gastgeber Mario Draghi, Fed-Chefin Janet Yellen und Bank of England-Chef Mark Carney aus gegebenem Anlass ausfallen. Der als Diskussionsleiter vorgesehene ehemalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet wird allerdings mit dem Vorsitz einer Diskussionsrunde zum Thema Brexit entschädigt, an der er sichtlich Freude hat.

Das Brexit-Votum zeige eine „deutliche Dynamik gegen die Eliten“, sagt Trichet. Und damit meinte der ehemalige Chef-Zentralbanker wohl nicht nur die Brüsseler Politik-Elite, sondern auch seine eigene Zunft.

Nachdem sein Nachfolger Mario Draghi sich am Dienstag in seiner Eröffnungsrede zum Thema Brexit noch ausgeschwiegen hatte, schickte die EZB nun dessen Stellvertreter Vítor Constâncio auf die Brexit-Bühne. Der versteht es, die Zentralbank ins richtige Licht zu rücken. „Unsere Politik ist ein wichtiger stabilisierender Faktor“, sagte Constâncio, der sonst oft im Schatten Draghis steht. Ohne die EZB und ihre Geldpolitik, so der portugiesische Volkswirt, wäre die Situation rund um den Brexit gefährlicher gewesen.

Auch wenn sich das schwer nachweisen lässt, mit einem hat Constâncio vermutlich Recht: Dies sei kein zweiter Lehman-Moment, sagt er. „Es gab kein systemisches Versagen der Finanzmärkte.“ Es habe immer Käufer und Verkäufer gegeben, ein Einfrieren des Handels sei ausgeblieben. Natürlich könne es immer noch brenzlig werden, räumt der Portugiese ein. „Aber in den vergangenen zwei Tagen haben sich die Kurse erholt“, sagt Constâncio.

EZB unter Druck

Kritiker werfen der EZB und den anderen Aufsichtsorganen an den Finanzmärkten zeitweise vor, durch die zunehmende Regulierung Liquidität aus den Märkten zu saugen, die im Krisenfall dringend benötigt werden könnte. Damit riskiere sie Stillstände an den Märkten.

Der Brexit zeige, dass das nicht der Fall sei, erklärt der EZB-Vize. Er rechnet im Fall eines Brexit mit 0,1 Prozent weniger Wachstum in der Euro-Zone. Mario Draghi bezifferte den Effekt zuletzt auf 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte in den kommenden drei Jahren.

Das sagen Ökonomen zum Brexit-Entscheid

Ausruhen kann sich die Zentralbank allerdings nicht. Im Gegenteil. Die deutlichsten Anzeichen für signifikantes Misstrauen gebe es im Bankensektor, warnt Constâncio im Hinblick auf die massiven Kursverluste, die Bankaktien nach dem Referendum in Großbritannien schon erlitten haben.

Die Aktie der Deutschen Bank fiel am Montag auf den tiefsten Stand seit Bestehen des Dax und war nur noch gut zwölf Euro wert.

Generell dürften Europas Banken in den kommenden Monaten die größten Sorgenkinder der EZB sein. Denn die Deutsche Bank ist mit ihren Verlusten nicht allein. Das Schlusslicht bilden eindeutig die italienischen Geldinstitute. Während die Deutsche Bank im laufenden Jahr bisher „nur“ rund 44 Prozent an Börsenwert eingebüßt hat, sind es bei der italienischen Großbank Unicredit rund 62 Prozent. Die Banco Populare aus Verona verlor sogar mehr als 75 Prozent.

Constâncio warnt vor Kapitalabbau

Auch Constâncio konnte in seiner kurzen Rede nicht verheimlichen, dass die fragile Lage der Banken eine Gefahr darstellt. Es bestehe das Risiko, dass die Institute nicht genug Kernkapital aufnehmen könnten. „Würden die Banken erneut anfangen, Kapital abzubauen, wäre das sehr schlecht für die Wirtschaft der Euro-Zone“.

Constâncio trifft mit seinen Ausführungen den Nerv vieler Konferenz-Teilnehmer. Europas Banken müssten endlich den hohen Bestand ihrer notleidenden Kredite abbauen, heißt es unisono. Die größte Gefahr sehen die meisten, ähnlich wie die Finanzmärkte, bei italienischen Banken.

„Europas Banken sind nicht gut kapitalisiert“, warnt Darrel Duffie, Professor in Stanford. Eine besonders große Bank habe sogar nur eine Marktkapitalisierung von einem Prozent ihrer Anlagen. Das Problem ist bei weitem nicht lokal.

„Die italienischen Banken sind ein großes Problem für die gesamte Euro-Zone“, warnt der renommierte Ökonom Barry Eichengreen gegenüber der WirtschaftsWoche. Auch die stellvertretende Bundesbank-Chefin Claudia Buch mahnt, allein die Profitabilität von Banken sei kein ausreichender Indikator für die Stärke des Finanzsystems.

Insbesondere in Europa hätten Banken es verpasst, ihren Kapitalpuffer ausreichend aufzustocken, meint Mark Burgess, Chefinvestor für Columbia Threadneedle in London. In den USA und Großbritannien sehe das besser aus. Die Schuld für die miserable Lage der Banken gibt Burgess auch der EZB. „Die Notenbanken verteilen das magische Kapital, was die Banken haben wollen“. Es mangele den Geldhäusern also nicht an Geld, aber an Kernkapital. Bei dessen Aufbau helfen eben auch die Notenbanken nicht weiter, so Burgess. Der Skeptiker will große Fusionen am Bankenmarkt in Zukunft nicht ausschließen.

Die größten Netto-Zahler der EU
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Eine Windkraftanlage nahe Dänemark Quelle: dapd
Der Wiener Opernball Quelle: dpa
Da Atomium in Belgien Quelle: REUTERS
Eine Mitarbeiterin in der Schwedischen Botschaft in Minsk Quelle: REUTERS
Frau Antje Quelle: AP
Das Colosseum Quelle: REUTERS

Laut EZB-Vize Constâncio hat die Notenbank die richtigen Maßnahmen zur Behandlung der Banken-Sorgen schon ergriffen. Seit kurzem verleiht die Zentralbank den Instituten Geld zum Nulltarif. Wenn die Banken das Geld in Form von Krediten an die Realwirtschaft weitergibt, ist die Situation sogar noch skurriler. „Wir bezahlen die Banken dafür, dass sie Geld verleihen“, sagt Constâncio im Hinblick auf die neuen Langfristtender TLTRO-2.

Brexit und Bankenkrise sorgen derweil weiter dafür, dass an den Finanzmärkten über expansive Maßnahmen der Zentralbank spekuliert wird. Darauf will sich die EZB nicht festnageln lassen. „Wir müssen abwarten, um zu sehen wohin sich die Dinge nach dem Brexit entwickeln“, sagt Constâncio. „Wir haben immer noch Instrumente“, fügt der Portugiese hinzu.

Allerdings räumte er auch ein, dass die EZB viele der möglichen Maßnahmen bereits genutzt hat. Vorerst dürften es vor allem die Kollegen aus der Bankenaufsicht sein, bei denen sich mehr Überstunden anhäufen.

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