EZB Notenbanken stürzen sich auf Unternehmens-Bonds

Europas Notenbank startet heute mit dem Kauf von Unternehmensanleihen. Die Gefahren für Märkte und Steuerzahler sind enorm, das Vertrauen in die Geldpolitik könnte die EZB nun endgültig ruinieren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Quelle: Bloomberg

In der vergangenen Woche ging der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Reisen. Die 25 Mitglieder, bestehend aus den Notenbankchefs der Euro-Staaten und dem EZB-Direktorium, trafen sich nicht wie üblich im Frankfurter EZB-Hochhaus, sondern tagen in der Wiener Hofburg. Außergewöhnlich war nicht nur der Sitzungsort, sondern auch die geldpolitische Agenda: Die Notenbanker berieten über die Details einer Maßnahme, die seit Wochen für Wirbel an den Märkten sorgt: den Ankauf von Unternehmensanleihen.

Das Programm trägt das Kürzel CSPP (für „Corporate Sector Purchase Programme“) und markiert eine neue Eskalationsstufe in der Geldpolitik. Denn faktisch bedeutet es, dass die EZB in die Rolle von Banken und Investoren schlüpft – und künftig an ausgewählte Unternehmen Kredite vergibt.

EZB-Chef Mario Draghi hatte das Projekt im März angekündigt, im Juni geht es an den Start. Es ergänzt das seit März 2015 laufende Programm zum Ankauf von Staatsanleihen, über das die Euro-Hüter bisher Papiere im Wert von fast 800 Milliarden Euro erworben haben. Bis mindestens März nächsten Jahres sollen Monat für Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von 80 Milliarden Euro dazukommen. Am Mittwoch beginnen die nationalen Notenbanken mit den Käufen.

Der Instrumentenkasten der EZB

Ziel des CSPP ist es, die Kurse der Unternehmensanleihen nach oben und ihre Renditen nach unten zu drücken. Das soll Investitionen, Konjunktur und Inflation ankurbeln. Der Erfolg des Programms ist allerdings fraglich. Denn an billiger Liquidität herrscht derzeit kein Mangel, eher an Vertrauen in die Geldpolitik. Dieses aber könnte die EZB nun endgültig ruinieren. Denn mit dem Kauf von Unternehmensanleihen verzerrt sie die Wettbewerbsbedingungen auf den Kreditmärkten, verschärft den Anlagenotstand für private Investoren und baut in ihrer Bilanz milliardenschwere Risiken für die Steuerzahler auf.

Hätte man vor zehn Jahren prognostiziert, dass die EZB eines Tages in großem Stil Staats- und Unternehmensanleihen kauft, wäre man wohl als Fantast abgetan worden. Doch im Zuge der Schulden- und Euro-Krise haben die Mannen um EZB-Chef Draghi nahezu alle geldpolitischen Tabus, die bis dahin existierten, abgeräumt. Erst liehen sie den Banken Zentralbankgeld ohne Ende zu Billigstkonditionen, dann kauften sie ihnen gedeckte Schuldverschreibungen und Kreditverbriefungen ab, anschließend weiteten sie ihre Käufe auf Staatsanleihen aus. Nun gehen sie auf dem Markt für Unternehmensanleihen auf Einkaufstour.

Dass es sich um einen Großeinkauf handelt, zeigen die Details des Programms. „Die EZB geht aggressiv vor“, urteilt Marco Stöckle, Leiter des Corporate Credit Researchs der Commerzbank. So nimmt die EZB auf Euro lautende Anleihen mit Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren ins Visier. Bis zu 70 Prozent einer Emission (bei öffentlichen Unternehmen bis zu 33 Prozent) will sie zeichnen. Ausgeführt werden die Käufe von sechs nationalen Notenbanken, darunter auch die Deutsche Bundesbank.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%