EZB-Vermögensbericht Sind die Zyprer wirklich reicher als die Deutschen?

Die Daten sind brisant. Laut einer Vermögensstudie der EZB sind die Haushalte der südeuropäischen Krisenländer deutlich reicher als die Deutschen. Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen.

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Die zehn größten Euro-Lügen
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Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Ist ein Land fast pleite, sagt das wenig über den Reichtum seiner Bewohner aus. Das zeigt die am Dienstag veröffentlichte Vermögensstudie der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn die Menschen in europäischen Krisenländern wie Zypern oder Spanien sind demnach deutlich reicher als Bürger in Deutschland. Während deutsche Haushalte im Schnitt auf ein Vermögen von rund 51.400 Euro netto kommen, haben Zypern und Co. stattliche Summen aufzuweisen. Die Bürger des bankrotten Inselstaates haben es sogar auf Platz 2 in Europa geschafft - reicher sind nur die Einwohner Luxemburgs. Das mediale Nettovermögen eines Zyprioten liegt immerhin bei rund 266.900 Euro.

Zusammen mit den nationalen Notenbanken wollte die EZB herausfinden, wie die Haushalte in der Euro-Zone leben und welche finanziellen Möglichkeiten sie haben. Da Vermögen sehr ungleich verteilt sind, geben die Werte nicht den Durchschnitt an, sondern den Median. Dafür wird das Vermögen der einzelnen Haushalte der Höhe nach sortiert, der Median liegt dann genau in der Mitte. Bei Berechnung des Durchschnittsvermögens wären die wenigen Haushalte mit hohen Vermögen überproportional gewichtet worden, auch besonders niedrige Vermögen wären stärker berücksichtigt worden. Für die Studie wurden Daten von mehr als 62.000 Haushalten in 15 Euroländern untersucht. Bereits im März hatte die Bundesbank den deutschen Teil der Studie vorab veröffentlicht.

Doch warum sind die Bewohner der Peripheriestaaten im Süden so viel vermögender als die Deutschen? Ein Blick in die Statistiken der EZB gibt ein paar Hinweise.

Demnach liegt das mediale Nettovermögen in der Euro-Zone insgesamt bei 109.200 Euro. Deutschlands Haushalte liegen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz, nur die Bevölkerung der Slowakei verfügt mit 61.200 Euro über ein ähnlich niedriges Nettovermögen. Gleichzeitig verdeutlichen die Zahlen, dass die Höhe des Vermögens in Deutschland stark von der Haushaltsgröße abhängt. Während sowohl Zwei- als auch Vier-Personen-Haushalte auf ein mediales Nettovermögen von knapp über 100.000 Euro kommen, sind es bei fünf oder mehr Personen nur 79.300 Euro, bei drei Personen gar nur 56.100 Euro. In Zypern dagegen steigt das Nettovermögen der Haushalte mit zunehmender Personenzahl an.

Experten kritisieren, dass die unterschiedliche Haushaltsgröße in den Ländern der Euro-Zone verzerre. Nirgendwo in Europa leben so wenige Menschen in einem Haushalt wie in Deutschland. Hierzulande teilen sich im Schnitt zwei Menschen ein Haushaltseinkommen. In Spanien (2,7), Zypern (2,8) und Malta (2,9) sind es deutlich mehr: In Deutschland verteilt sich das Haushaltsvermögen daher auf weniger Menschen als in Malta. Auffällig ist auch, dass in Deutschland das durchschnittliche Nettovermögen mit rund 195.200 Euro deutlich über dem medialen liegt. Das deutet auf eine ungleiche Verteilung der Vermögen hin.

Weniger Immobilien - und alte Daten

Noch entscheidender für die unterschiedliche Vermögenslage in Europa ist die jeweilige Wohnsituation. Denn neben finanziellen Vermögenswerten wie Einlagen auf Konten oder anderen Geldanlagen ist es vor allem der Immobilienbesitz, der das Vermögen der Haushalte in die Höhe treibt. Während die Deutschen Weltmeister im Mieten von Wohnungen und Häusern sind, wohnen vor allem Südeuropäer in der Regel im Eigenheim.

Der EZB zufolge wohnen gut 60 Prozent aller Privathaushalte im Euroraum in den eigenen vier Wänden, ein Drittel davon zahlt eine Hypothek ab. Die regionalen Unterschiede sind aber enorm: Mit nur 44,2 Prozent leben nirgendwo in Europa weniger Menschen im Eigenheim als in Deutschland - in Spanien sind es fast 83 Prozent, in der Slowakei 90 Prozent. „Wir haben in Deutschland einen gut funktionierenden Mietwohnungsmarkt und dadurch eine entsprechend geringe Wohneigentumsquote“, sagt Christoph Schröder vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Auch in Deutschland ist das Vermögen der Hausbesitzer naturgemäß deutlich höher als das der Mieter. Eigentümer, die keine Hypothek mehr bedienen müssen, kommen immerhin auf ein mediales Nettovermögen von rund 255.600 Euro. Bei den deutschen Mietern sind es dagegen nur 10.300 Euro. Die enorme Bedeutung der Wohnsituation für die Vermögensverteilung in Europa führt allerdings auch zu einem der Probleme der Haushalts-Studie.

von Tim Rahmann, Andreas Toller, Kerstin Dämon

Denn die jüngsten Daten für die Studie stammen von 2010, viele sind noch aus dem Jahr 2008. Zu dem Zeitpunkt war von einer Euro-Schuldenkrise noch nicht die Rede. Seit dem sind vielerorts die Immobilienpreise gepurzelt, während die Arbeitslosigkeit zunahm. „Besonders für Spanien ist es kritisch, das Erhebungsjahr 2008 zu wählen. Denn die Immobilienpreisblase ist dort erst später geplatzt“, sagt Schröder. „Das Durchschnittsvermögen ist in Spanien daher heute geringer als im Jahr 2008.“

Das die Kräfteverhältnisse in der Euro-Zone ohne eine Berücksichtigung von Immobilien anders aussehen könnten, dass lassen die Haushaltseinkommen erahnen. Beim mittleren Brutto-Haushaltseinkommen liegt Deutschland mit 32.500 Euro auf Rang 5 - weit hinter Luxemburg mit 64.800 Euro, aber auch weit vor der Slowakei mit 11.200 Euro.

Zudem: Die Daten für die Studie wurden im Rahmen von Umfragen erhoben. Das ist kritisch, da sich die Befragung der Haushalte nach territorialen Aspekten richtet, nicht nach nationalen. In Zypern kann dementsprechend auch das Vermögen von reichen russischen Auswanderern die Zahlen in die Höhe getrieben haben. Gleichzeitig ist es möglich, dass Befragte den Wert ihrer Immobilie überschätzen. Außerdem kritisieren Experten, dass etwa Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Betriebsrenten oder kostenlose Bildung in der Studie nicht berücksichtigt wurden. „Wir haben eine recht gute soziale Absicherung“, betonte Schröder. Deshalb werde weniger für die Altersvorsorge oder die Arbeitslosigkeit gespart. Gerade für ältere Deutsche dürften Betriebsrenten und andere Ansprüche einen nicht unerheblichen Teil des Vermögens ausmachen.

Besonders vor dem Hintergrund weiterer Rettungsschirme werden die Daten der EZB sicherlich für einige Diskussionen sorgen - zu genießen sind sie allerdings nur mit Vorsicht.

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