EZB-Vorschau Mini-Ölpreis bringt Draghi in die Bredouille

Der niedrige Ölpreis drückt die Inflationsraten und entzieht der Europäischen Zentralbank (EZB) ein Stück ihrer Feuerkraft. Warum die Zentralbank ihre Geldpolitik trotzdem schon bald weiter lockern dürfte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Quelle: imago images

Er wird immer mehr zum Getriebenen des niedrigen Ölpreises. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, läuft dank der Billig-Energie einem zunehmend abstruser anmutenden Ziel hinterher, der Preisstabilität. Die ist laut der EZB bei einer Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent erreicht. Solange allerdings der niedrige Ölpreis die Teuerungsrate immer weiter drückt, dürfte auch Draghis ultraexpansive Geldpolitik nicht ausreichen, um die Inflationsrate zu heben.

Die Teuerungsrate liegt im Euro-Raum weiter deutlich unterhalb des Zielkorridors der EZB, im Dezember stieg sie leicht auf 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im November waren es noch 0,1 Prozent gewesen. Schuld sind vor allem die Energiepreise, sie waren um 5,8 Prozent niedriger als im Vorjahr. Mehr bezahlen mussten Verbraucher dagegen für Nahrungsmittel, Alkohol und Tabak.

Die größten Pleitestaaten der Welt
Norwegische Insel Quelle: dpa
Reichstag Quelle: dpa
Gracht in Amsterdam Quelle: AP
Akropolis Quelle: AP
Brunnen am österreichischen Parlamentsgebäude Quelle: dpa
Schweizer Flagge Quelle: dpa
Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

Auch in Deutschland sind die Preise 2015 so wenig gestiegen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das Statistische Bundesamt rechnet für das vergangene Jahr mit einer Inflationsrate von 0,3 Prozent. Rechnet man die Energiepreise aus der Preisstatistik heraus, ergibt sich eine Teuerungsrate von 1,1 Prozent - ein Wert, der Mario Draghi deutlich näher an sein Ziel der Preisstabilität bringen würde.

Am Donnerstag entscheidet der Italiener zusammen mit seinem EZB-Rat zum ersten Mal in diesem Jahr über die zukünftige Zinspolitik in der Euro-Zone. Ginge es nach den reinen Zahlen, müsste der Italiener ein geldpolitisches Feuerwerk der Extraklasse abfeuern. Wird er aber hoffentlich nicht, denn die Vergangenheit hat bereits deutlich genug gezeigt, dass auch eine noch so gut geladene geldpolitische Bazooka kein Allheilmittel gegen sinkende Preise sind. Draghi steckt deshalb in der Klemme. Wird er reagieren, obwohl es vor allem der Ölpreis ist, der die Inflationsrate nach unten treibt? Oder besinnt Draghi sich auf die Kerninflation, welche Energiepreise herausrechnet?

"Wenn der Ölpreis auf seinem derzeitigen Niveau bleibt, wird die EZB wohl nicht dasitzen, abwarten und auf das beste hoffen", sagt Holger Sandte, Chef-Europa-Analyst bei Nordea Markets in Kopenhagen. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik im März sei daher möglich.

Mit dieser Einschätzung ist Sandte nicht alleine. Viele Analysten erwarten, dass die Notenbanker am Donnerstag vorerst nichts an der Geldpolitik ändern werden. Dennoch werde sich die EZB über die "hartnäckig niedrige Inflationsrate besorgt zeigen", meint Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. Um die Märkte etwas zu beruhigen, dürfte Draghi erneut die Handlungsbereitschaft der Zentralbank betonen.

Vieles spricht für März

Gegen eine schnelle Änderung der Geldpolitik in dieser Woche sprechen auch verbesserte Daten bei der Kreditvergabe. Für Unternehmen in der Euro-Zone war es im vierten Quartal des vergangenen Jahres wieder einfacher, von ihrer Bank einen Kredit zu bekommen. Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage nach Darlehen, wie die EZB am Dienstag mitteilte. Die Notenbank geht davon aus, dass sich der positive Trend auch in diesem Jahr fortsetzen wird. Das zeige, sagt Ökonom Peter Vanden Houte von der Bank ING, dass die geldpolitischen Maßnahmen greifen.

Entscheidend sind die Inflationserwartungen

Für den zweiten Zinsentscheid dieses Jahres im März erwarten allerdings viele Beobachter, dass die EZB auf die niedrigen Inflationsraten reagieren könnte. "Die Inflationserwartungen werden aber eine wichtigere Rolle spielen als die Inflationsrate", sagt Michael Schubert, EZB-Experte der Commerzbank. Diese seien durch den sinkenden Ölpreis bisher deutlich weniger zurück gegangen als die Inflationsrate an sich. Allerdings veröffentlicht die EZB nach ihrer Sitzung im März die nächsten Inflationsprognosen. Ist die Notenbank gezwungen, diese nach unten zu korrigieren, dürfte sie weiter unter Zugzwang geraten. Aktuell erwarten die Ökonomen im Euro-Turm für 2016 eine Teuerungsrate von 1,0 Prozent, im kommenden Jahr sollen es dann 1,6 Prozent sein.

Das sind die drei Leitzinssätze der EZB

Mit Litauens Notenbankchef Vitas Vasiliauskas forderte bereits ein EZB-Ratsmitglied, die Zentralbank solle sich bei ihrer Geldpolitik mehr auf die Kerninflation konzentrieren. Der sehr niedrige Ölpreis sei eine neue Realität, so Vasiliauskas. Er dürfe nicht darüber hinweg täuschen, dass die Politik der EZB effektiv sei. "Das Kreditwachstum ist positiv, die Realwirtschaft expandiert".

Welche Instrumente bleiben der EZB?

Am wahrscheinlichsten gilt derzeit die Möglichkeit, die EZB könne den Einlagenzins noch weiter senken. Erst im Dezember wurde der Strafzins, den Banken zahlen, wenn sie Geld über Nacht bei der EZB deponieren, auf minus 0,3 Prozent gesenkt. Die Notenbank will Banken so dazu bringen, ihr Kapital in Form von Krediten auszugeben, anstatt es bei der EZB zu lagern. Da der Leitzins mit 0,05 Prozent bereits denkbar niedrig ist, gilt es als wahrscheinlicher, dass der EZB-Rat zunächst weiter am Einlagenzins schraubt.

Die kürzlich veröffentlichten Protokolle zur EZB-Sitzung im Dezember zeigen bereits, dass in puncto Einlagenzins keine Einigkeit im Rat herrschte. Einige Notenbanker wollten den Zins sogar auf minus 0,4 Prozent absenken. Es ist also gut möglich, dass diese Fraktion sich bei einer der nächsten Sitzungen im Rat durchsetzen wird.

Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Im März wird laut Rotationsprinzip Bundesbank-Chef Jens Weidmann nicht mitstimmen dürfen. Gleiches gilt für die Notenbankchefs aus Griechenland, Irland und Estland. Seit Litauen als 19. Land der Währungsunion beigetreten ist, dürfen nicht mehr alle 25 Mitglieder des EZB-Rats bei jedem Zinsentscheid mitstimmen. Kritiker fürchten daher um den Einfluss der Bundesbank, schließlich sei Weidmanns Stimme als mahnender Falke, der für eine weniger expansive Geldpolitik eintritt, wichtig. Commerzbank-Analyst Schubert warnt allerdings davor, zu viel in die Rotation der Stimmen hineinzuinterpretieren. "Der estnische Notenbanker ist genau wie Weidmann ein Falke", sagt Schubert. Der Ire und der Grieche seien dagegen Tauben, die eine expansive Geldpolitik bevorzugten. "Das gleicht sich also aus", so Schubert.

Sollte das Schrauben am Einlagenzins nicht ausreichen, könnte die EZB ihr Anleihekaufprogramm weiter ausbauen. Zunächst hatte sie es im Dezember verlängert, anstatt bis September dieses Jahres werden die Papiere nun bis mindestens März 2017 gekauft. Denkbar wäre weiterhin, dass monatliche Volumen von aktuell 60 Milliarden Euro zu erhöhen. Bisher sieht es aber danach aus, dass so ein Schritt noch einige Gegner im Rat hat. So sagte Ratsmitglied Ewald Nowotny, der Chef der Österreichischen Nationalbank, im Hinblick auf den Einfluss der EZB auf die Konjunktur: "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch die Geldpolitik Grenzen hat".

Der niedrige Ölpreis zeigt EZB-Präsident Draghi seine Grenzen gut auf. Gegen das Überangebot an Öl aus den Förderländern scheint auch Super-Mario machtlos. Zudem hat er an den Märkten harte Gegner. Hedgefonds wetten mittlerweile verstärkt auf weiter fallende Ölpreise. Damit versuchen sie, die Verluste aus der bisherigen Preisentwicklung zumindest teilweise auszugleichen.

Vor kurzem erreichte die EZB deshalb ein interessanter, aber wohl nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag: die Zentralbank selber könne ja Öl kaufen und damit die Nachfrage wieder ankurbeln. Möglich wäre das einerseits mit Zertifikaten. Allerdings sind der Notenbank so spekulative Geschäfte untersagt. Gleichzeitig könnte sich die EZB auch ein paar Fässer in den Keller stellen. Um aber tatsächlich etwas zu bewegen, müsste Draghi schon mehr als den gesamten Frankfurter Untergrund zum Öl-Lager ausbauen. Der Italiener sollte sich also lieber auf seine Geldpolitik konzentrieren und nichts überstürzen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%