EZB-Zinsentscheid Warum Draghis Maßnahmenfeuerwerk so riskant ist

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Draghi straft die Banken ab

2. Der gesenkte Einlagezins

Was hat die EZB gemacht?

Wie erwartet hat die Zentralbank am negativen Einlagezins geschraubt. Banken, die ihr Geld kurzfristig bei der EZB anlegen, zahlen künftig einen Strafzins in Höhe von 0,4 Prozent.

Was war vorher?

Bisher lag der Einlagezins bei minus 0,3 Prozent.

Pressestimmen zum EZB-Entscheid

Was will die EZB damit erreichen?

Die Notenbank will Banken dafür bestrafen, Einlagen bei der EZB zu halten. Die Institute sollen das Geld lieber für die Vergabe von Krediten verwenden und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Was bringt das?

Die Maßnahme ist höchst umstritten, denn die EZB schadet damit vor allem den Banken, deren Margen weiter sinken. Zwar erklärt die Notenbank, bisher sei die Profitabilität der Institute durch den Negativzins nicht beeinflusst worden. Viele Bankvorstände sehen das allerdings ganz anders. Die Konsequenz: einige Sparkassen überlegen bereits offen, ihr Geld nicht mehr bei der EZB anzulegen, sondern Scheine und Münzen lieber im eigenen Tresor zu lagern. Das ist günstiger. Ziehen tatsächlich Institute ihr Geld aus dem System ab, hat die EZB ihren gewünschten Effekt definitiv verfehlt.

Die Erfahrung anderer Länder zeigt bereits, dass Negativzinsen oft nicht den gewünschten Effekt einer steigenden Kreditvergabe erzielen. In Dänemark beispielsweise wurden Darlehen am Ende teurer, weil die Banken die Strafzinsen auf diesem Weg an den Kunden weitergaben. Auch in Japan wurden vor kurzem Negativzinsen eingeführt. Prompt kündigten die Gewerkschaften der Banken an, in diesem Jahr wohl keine Lohnerhöhung zu fordern. Ein Grund dafür dürfte die schlechte Situation der Banken aufgrund des Negativzinses sein. Die Bank of Japan könnte also genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie anstrebt: fallende Preise. Denn bleiben die Löhne niedrig, wird nicht mehr konsumiert, und die Preise steigen auch nicht. Denkbar ist dieses Szenario auch in der Euro-Zone.

Viele Beobachter erwarteten daher, die EZB könne einen gestaffelten Einlagezins einführen und nur bestimmte Einlagen mit dem höchsten Strafzins von 0,4 Prozent belasten. Offenbar hielt Mario Draghi das aber für falsch. „Wir wollten nicht signalisieren, dass wir den Zins so weit ins Negative senken können, wie wir wollen“, lautete die Erklärung des Italieners.

Das sind die drei Leitzinssätze der EZB

Der wahre Grund könnte aber ein anderer sein: Die Commerzbank berechnete vor kurzem, dass die Banken der Euro-Kernländer wie Deutschland, Frankreich aber auch der Niederlande überproportional stark von der Einführung eines solchen Staffelzinses, also von „Freigrenzen“, profitiert hätten, da sie über deutlich höhere Überschussreserven verfügen, als Banken aus Spanien oder Italien. Gleichzeitig trifft der Strafzins die Kernland-Banken härter. Mario Draghi hat sich daher eine andere Maßnahme ausgedacht, mit der er die Banken beglücken will – das gilt aber natürlich für alle Banken der Euro-Zone.

Fazit: Die Gefahr, dass der Negativzins für nicht die gewünschte Wirkung erzielt, ist groß. Im Ernstfall straft Draghi die Banken so stark ab, dass sie weniger profitabel werden und ihre Schwäche sich wiederum negativ auf die gesamte Konjunktur auswirkt. Diesen Kreislauf muss die EZB in jedem Fall verhindern, zumal sie als Aufsicht darüber wachen muss, wie stabil Europas Banken sind.

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